Messerstecher zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt

30.5.2016, 17:44 Uhr
Messerstecher zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt

© Martin Regner

Am Morgen des letzten Prozesstages bezog eine psychiatrische Gutachterin Stellung zu der Frage, ob Bamir H. bei dem Vorfall mitten in der Nacht eventuell schlaftrunken und deswegen vermindert schuldfähig gewesen sein könnte. Er soll nach einem Streit und einem kurzen Handgemenge auf dem Flur der Unterkunft ein Küchenmesser gezogen und zwei Mal auf Jusuf W. aus Syrien eingestochen haben. W. hatte in einem oberen Stockwerk mit Landsleuten gefeiert und war auf dem Weg ins Bett. Eine verschlossene Tür stoppte ihn. W. klopfte, woraufhin die Tür von H. geöffnet wurde, der bis dahin noch tief geschlafen hatte.

Die Gutachterin erklärte, sie habe keine Anzeichen für Schlaftrunkenheit feststellen können: Es gebe keine Hinweise darauf, dass H. zum Tatzeitpunkt verwirrt oder desorientiert gewesen sei. Auch Gedächtnislücken – normalerweise ein sicheres Indiz – gäbe es nicht. Vielmehr habe ihr H. ausführlich geschildert, was aus seiner Sicht passiert sei.

Blinder Griff in die Schublade

Nachdem der Angeklagte auf Anraten seines Verteidigers Ludwig Mieth während des gesamten Verfahrens geschwiegen hatte, wollte er vor den Plädoyers doch noch etwas sagen. Er sei in der Tatnacht aber von W. bedrängt und geschlagen worden und habe dann in der Etagenküche der Unterkunft hinter sich in eine Schublade gegriffen. Dass er dabei ein Messer in die Hand bekam – und nicht irgendein anderes Werkzeug – wollte H. nicht bemerkt haben. Er habe sich nur wehren wollen.

In seinem Plädoyer betonte der Staatsanwalt die große Wucht, mit der einer der beiden Stiche in den Rücken von Jusuf W. geführt worden war: Das Messer steckte 15 Zentimeter tief, bis zum Anschlag, im Körper und verletzte die Lunge schwer. „Ich gehe davon aus, dass er das Messer schon bei sich hatte, als er zur Tür ging“, machte der Staatsanwalt klar. Dass einer der beiden Stiche erst erfolgte, als sich Jusuf W. schon zur Flucht umgedreht hatte, sah er ebenfalls als erwiesen an.

Keine Tötungsabsicht

Die Staatsanwaltschaft beantragte fünf Jahre und sechs Monate Haft wegen schwerer Körperverletzung und versuchten Totschlags. Letzteren bestritt Verteidiger Mieth und plädierte auf eine Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren. Man dürfe bei der Beurteilung des Falles die beengte Wohnsituation in der Unterkunft, kulturelle Unterschiede der Bewohnerschaft und allgegenwärtige Sprachbarrieren nicht außer Acht lassen, die zu häufigen Missverständnissen geführt hätten, so Mieth weiter. Das habe auch der Prozess gezeigt, in dem viele Details bis zum Schluss unklar geblieben seien. Das Messer sei ein zufälliges Werkzeug gewesen, sein Mandant hätte beim Griff hinter sich in die Schublade genau so gut einen Löffel in die Hand bekommen können. Eine Tötungsabsicht könne deswegen nicht angenommen werden.

Der Richter folgte in seinem Urteil weitgehend dem Staatsanwalt: „Sie haben den Tod von Jusuf W. billigend in Kauf genommen“, erklärte er H. Dieser muss nun wegen schwerer Körperverletzung und versuchten Totschlages voraussichtlich vier Jahre und neun Monate Haft in Deutschland absitzen. Seine Frau und die fünf Kinder werden dagegen wohl schon bald in den Kosovo abgeschoben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Laut Verteidiger Mieth steht noch die Möglichkeit im Raum, seinen Mandanten nach kurzer Haft ebenfalls abzuschieben und mit einem Wiedereinreiseverbot zu belegen.