Messerstecherei in Forchheim: Prozess muss pausieren

26.4.2016, 10:19 Uhr
Messerstecherei in Forchheim: Prozess muss pausieren

© Martin Regner

Der blutigen Tat zuvor gegangen war ein Streit um die Lautstärke: Eine Gruppe Syrer hatte in einem Gemeinschaftszimmer gefeiert, dass einer ihrer Freunde eine Aufenthaltsgestattung erhalten hatte. Einer von ihnen: Jusuf W., das spätere Opfer.

Gegen Mitternacht verließ W. für etwa zehn Minuten das Zimmer, beschrieb einer der vier syrischen Zeugen den Tathergang am zweiten Prozesstag. Als er zurück  kommt, bricht er zusammen. Er hat zwei tiefe Wunden im Rücken, eine davon lebensbedrohlich. Bamir H. soll ihn im Streit um die Lautstärke erst geschlagen und dem flüchtenden Mann dann ein Messer in den Rücken gejagt haben. Die Frage der Schuld ist für den Verteidiger des Angeklagten jedoch noch nicht ausreichend geklärt.

Denn während für den Anwalt des Opfers nur eine mehrjährige Freiheitsstrafe aufgrund von versuchtem Totschlag als Konsequenz in Frage kommt, sieht der Verteidiger allenfalls den Straftatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllt. Der Unterschied zwischen beidem: Einige Jahre Haft. Der Verteidiger reicht gleich mehrere Anträge ein.

Der erste davon: Sein Mandant sei zur Tatzeit nur vermindert schuldfähig gewesen. Die Lautstärke der feiernden Syrer soll Bamir H. dermaßen aus dem Schlaf gerissen haben, dass dieser „kurzfristig desorientiert und verwirrt“ gewesen sei. Zudem sei ihm von den Schlägen in der Auseinandersetzung, die ihm im Übrigen keine sichtbaren Blessuren zugefügt hatten, schwindelig gewesen.

Wie sonst könne man erklären, so der Verteidiger weiter, wie ein Mann, der selbst von den syrischen Zeugen als hilfsbereit und umgänglich beschrieben wird, sich in der Tatnacht dermaßen anders verhielt als sonst. Ein psychologisches Gutachten eines Sachverständigen soll den Ursprung der „außerordentlichen Aggressivität“, so der Oberstaatsanwalt, klären.

Noch ganz andere Motive?

Der zweite Antrag des Verteidigers: Es  bedürfe zwei weiterer Zeugenaussagen. Die eine von einem einstigen Mitbewohner, der einem der Zeugen während einer Busfahrt gesteckt haben soll, dass das Opfer bei einer Zahlung von 3000 Euro bereit wäre, dem Täter „zu verzeihen“.

Die andere benötigte Zeugenaussage soll von einer jungen Frau kommen, die zum Tatzeitpunkt in der Gemeinschaftsunterkunft in Forchheim wohnte. Bamir H. war bereits im Juni vergangenen Jahres in eine tätliche Auseinandersetzung mit ihrer Familie geraten. Das spätere Opfer, Jusuf W., soll eine sexuelle Beziehung zu dieser Frau gehabt haben. Gab es also doch noch ganz andere Motive als bisher im Prozess angesprochen?

Der Verteidiger von Bamir H. will, um diese Frage zu klären, die Tochter als Zeugin vor Gericht befragen. Das Problem daran: Die kosovarische Familie ist inzwischen  abgeschoben und wohnt wieder in ihrer alten Heimat. Allzu viel Zeit ist nicht da, um die neue Adresse der Familie herauszufinden. Die Hauptverhandlung wird Anfang Mai fortgesetzt.