Mit musikalischer Wucht ins Weltgericht

23.11.2014, 15:15 Uhr
Mit musikalischer Wucht ins Weltgericht

© Foto: Udo Güldner

Fast 50 junge Musiker aus ganz Franken haben im Altarraum Platz genommen. Darunter fünf Instrumentalisten des Musikvereins Buckenhofen, der das Konzert mitveranstaltet: Lisa Schuler und Jan Korporaal (Bass-Klarinette), Christian Libera (Trompete), Patrick Endres (Schlagwerk) und Arwen Campbell (Kontrabass).

Zu Beginn ist „Ich bin ein Engel des Lichts“ zu hören. Sein sphärischer Gesang kündet vom Ende der Dunkelheit, vom Gelobten Land, von der Erlösung. Sehr wörtlich nehmen Dirigent Professor Johann Mösenbichler (Linz) und sein Orchester Frank Tichelis „Angels in the Architecture“. Denn Ann-Kathrin Waldherr, eine Würzburgerin, singt ihre Sopran-Soli von der Orgelempore auf die Zuhörer hinunter. Sie umfasst mit ihrer hauchzarten Stimme den laut und wild wütenden Kampf des Guten gegen das Böse. Wobei das temporeiche und rhythmisch ansprechende Böse teuflisch gut komponiert ist. Der US-Komponist hat mit der Verarbeitung nicht nur freikirchlicher Shaker-Gesänge aus den USA des 19. Jahrhunderts, sondern auch israelischer Volkslieder und französischer Hugenotten-Psalter eine wahrhaft ökumenische Melange geschaffen. Nach all den irdischen Turbulenzen warten dank der Wiederkehr des Messias und der Vernichtung des Satans Hoffnung, Liebe, Frieden – und die Auferstehung.

Die himmlische Ruhe der tröstenden Worte trübt am Ende allerdings ein Schatten, den auch Ann-Kathrin Waldherr nicht unhörbar machen kann. Ein wenig erinnert das an Charles Ives’ „The unanswered Question“ (Die unbeantwortete Frage), die auf die letzte, die entscheidende Frage auch keine Antwort weiß. Ein Zweikampf beherrscht ebenso „First Light“ (Das erste Licht) des US-Komponisten Steven Bryant, ein Duell zwischen Finsternis und Licht.

Den dunklen Bass-Klarinetten, dem grollenden Schlagwerk und dem düsteren Blech macht das Sonnenlicht ein langsames, aber sicheres Ende. Selbst die Hörner beenden ihr Schattendasein, räkeln sich wie die zwitschernden Querflöten in der intensiven Wärme des aufkommenden Morgens, der ein kleines Dorf am Gardasee erhellen soll. Zuweilen klingt es aber eher, als ob die Weite der nordamerikanischen Prärie instrumental beschienen würde.

Je höher der strahlende Stern am Firmament steigt, desto lauter wird „WiBraPhon“, letzte schemenhaft neblige Töne verdunsten und ein klarer Klang hebt an, der das Kirchenschiff gleichfalls in wärmendes Licht taucht. Dazwischen dürfen sich die Musiker von „WiBraPhon“, das als Kunstwort aus Winds (Holzbläsern), Brass (Blechbläsern) und Phon (Schlagwerk und Saiteninstrumente) gebildet wird, bei „A Choral for a Solemn Occasion“ entspannen. Die einfache, aber eindrückliche Melodie des Niederländers Marc van Delft kommt ohne große Effekte aus und lässt Zeit zum Luftholen.

Feuriger Beginn

Luft wird „WiBraPhon“ zum Abschluss noch brauchen. Etwa beim feurigen Beginn der Apokalypse, die dem tiefen Blech zum Auftakt des Weltgerichts wuchtige Präzision abverlangt. Erstaunlich, dass Camille de Nardis’ „Il giudizio universale“ ein Jugendwerk des Komponisten ist. Mit erst 21 Jahren bringt er „Das jüngste Gericht“ zu Papier, ein Stück Programmmusik, das den dramatischen Atem verdischer Opern hat. Wie es in der Offenbarung des Johannes heißt: „Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken.“ Dann dürfte „WiBraPhon“ zumindest in musikalischer Hinsicht gute Karten haben.

Keine Kommentare