Offenes Podium: Lokalkolorit satt im Jungen Theater

15.10.2017, 17:23 Uhr
Offenes Podium: Lokalkolorit satt im Jungen Theater

© Fotos: Udo Güldner

Beim Offenen Podium im Jungen Theater Forchheim erzählte beispielsweise Robert Schmitt (66) aus Eggolsheim-Neuses, Urgestein der Mundartbühne "Forchheimer Brettla", von seiner gefährlichen Kindheit am Ludwig-Donau-Main-Kanal in Forchheim. 1963 versenkte er mit seinem Cousin Altmetall in der stillgelegten Wasserstraße beim Alten Friedhof — und sich aus Versehen gleich mit. Später, sagte Schmitt, leistete er Wiedergutmachung an der Wasserstraße, als er fürs "Brettla" das Schleusenwärterhäusla erwarb und in Eggolsheim einer der Initiatoren für die Sanierung der Schleuse 94 wurde.

Den Untergang ihrer "Prinzessinnenhaftigkeit" bei einem mehrmonatigen Indienaufenthalt Ende der 1970er Jahre schilderte Gisela Steinlein (61) aus Forchheim. Die Liedervereins-Vorsitzende erlebte blutige Rinderschlachtungen, vielbeinige Tarantelattacken und die Wucht der (indischen) Wirklichkeit. Ihre Erkenntnis: "Seitdem beschwere ich mich nicht mehr." Zumindest komme sie schnell wieder herunter von der Palme, wenn sie mal aufgebracht ist. Denn sie habe zu schätzen gelernt, wie gut es uns in Deutschland gehe.

Wie man Anfang der 1990er Jahre auf zwielichtigen italienischen Rastplätzen ebensolchen Geschäften zum Opfer fiel, davon wusste Michael "Eumel" Arnold (62) aus Forchheim zu berichten. Der Musiker hatte für 800 D-Mark eine VHS-Kamera gekauft, ein Super-Schnäppchen, das sich im Nachhinein als liebevoll gesägte Sperrholz-Attrappe herausstellte. Er nahm den Betrug allerdings gelassen auf und münzte ihn im Jungen Theater in einen lebendigen Auftritt um.

Theater-Tennis

Mit einer Jonglage-Einlage verwandelte Lorenz Deutsch (30), künstlerischer Leiter des Jungen Theaters, ebenjenes mithilfe eines Tennisschlägers in einen Centre Court. In "Bumm Bumm" zeigte sich der "Stick Brother" auf der Höhe seines Könnens (wenngleich die Decke der Bühne noch immer hoch genug war), als er eine heutzutage sehr seltene, äußerst schwierige gemischte Jonglage (Ball und Schläger) vorführte. Bei der Nummer fehlte zum Wimbledon-Sieg nur noch der Beckerhecht.

Offenes Podium: Lokalkolorit satt im Jungen Theater

Während die Spanierin Mar Rodriguez (immer noch 40) aus Forchheim-Burk als "Mar Ozean" fernöstliches Flair nach Franken brachte. In einem Meer meditativer Melodien tanzte die VHS-Dozentin eine eigene Choreographie. Dazu brauchte sie nur einen Holzstock aus dem Baumarkt, etwas weiße Schminke und einen Kimono — und ganz viel Phantasie. Zum Klang einer japanischen Bambusflöte (Shakuhachi) verband sie weiche, weibliche Bewegungen, die dem Tai-Chi und männliche, kämpferische Gebärden, die dem Budo entlehnt waren.

Die SOKO aus Hubert Forscht, Wolfgang Badura, Rudi Neite, Franz-Josef Amling und Markus Schmitt (zusammen mindestens 150) sammelte indessen Spendengelder, indem sie vorgab, handverpackt erlesenen Bauschutt des "verfluchten Königsbades" feilzubieten. Laut Hubert Forscht war der Einfall der Stadt, ihr Ganzjahresbad nach den im Mittelalter in Forchheim gekrönten Königen zu nennen, mehr als unglücklich: "Die waren alle schnell wieder weg." Kein Wunder also, wenn auch das "Königs"bad von Unglück verfolgt wird: Knochenbrüche durch rutschige Fliesen, kaputte Duschen und Wasserleitungen, die das Wasser nicht halten können . . .

Bauschutt in Tüten

Der Bad-Bauschutt in Tüten jedenfalls fand reißenden Absatz. Zugunsten des Theaters, versteht sich.

Im Finale hatten Sängerin Daniela Heigl (19) aus Heroldsbach und Gitarrist Marius Denzler (20) aus Eggolsheim das Publikum im voll besetzten Jungen Theater mit sanftstimmigen Popballaden völlig in der Hand. Auch ohne ihren Triopartner Patrick Haupt (34) aus Forchheim feierten sie, nach zwei Monaten hinter verschlossenen Türen, ihren ersten öffentlichen Auftritt.

Während die angehende Bau-Ingenieurin den gefühlvollen Gedanken Frank Oceans, Sam Smiths oder Alex Clares nachsann, bewies ihr Begleiter, dass er völlig zurecht an der Musikhochschule Nürnberg Gitarre studiert. Hätten die beiden ein noch größeres Repertoire besessen, das Offene Podium hätte, jedenfalls nach Meinung der Zuhörer, noch Stunden dauern können.

Das nächste Offene Podium im Jungen Theater findet am Samstag, 2. Dezember, ab 20 Uhr statt. Der Eintritt ist frei — in der Pause werden wieder Spenden gesammelt. Mehr Bilder unter www.nordbayern.de/forchheim

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