Pautzfeld: Den Kontakt zu Flüchtlingen suchen

29.1.2015, 18:18 Uhr
Pautzfeld: Den Kontakt zu Flüchtlingen suchen

© Foto: Martin Regner

„Wir sind 1945 selber aus dem Sudetenland ausgewiesen worden“, erklärt eine alte Dame den Grund, warum sie das Schicksal der rund 25 Menschen bewegt, die aus ihrer Heimat vor Krieg und Verfolgung geflohen sind: Aus Syrien, Äthiopien, Albanien und dem Kosovo führte deren Wege in den Ortsteil von Hallerndorf. Es handelt sich bei den meisten Neuankömmlingen um Familien mit Kindern, darunter soll sich dem Vernehmen nach auch ein Mädchen aus Syrien mit einer Schusswunde im Gesicht befinden.

Uwe Koschyk, Hotelier und Gastwirt in Forchheim, spricht als erstes nach Bürgermeister Torsten Gunselmanns Begrüßung: Koschyk und sein Geschäftspartner Georg Welsch haben das Gasthaus kürzlich der Familie Schneider abgekauft; primär sei es ihm dabei um den Übernachtungsbetrieb gegangen, so Koschyk.

Gasthaus läuft weiter

Als das Thema Flüchtlinge breit in die Medien kam, sei in ihm der Entschluss gereift, die Immobilie den Hilfsbedürftigen zur Verfügung zu stellen. Das Landratsamt mietet dafür die Räume über der alten Gaststube an. „Der Betrieb im früheren Gästehaus läuft wie früher weiter. Monteure im Außendienst, Besucher der Nürnberger Messe und die Flüchtlinge wohnen parallel im Haus“, so Koschyk.

Alle Redner, darunter Hans-Werner Eisen als Integrationsbeauftragter im Forchheimer Stadtrat und Bernhard Rettig vom Amt für soziale Angelegenheiten im Landratsamt, sind sich einig, dass die Betroffenen ein hartes Schicksal hinter sich haben und jetzt vor allem Frieden und ein Dach über dem Kopf brauchen.

„Gerade die Region Forchheim ist stark geprägt von Flüchtlingen“, wirbt Eisen um Verständnis. Seine Erfahrung aus anderen Flüchtlingsunterkünften sei, dass die Fremden sehr schnell Deutsch lernen und sich am Dorfleben beteiligen wollen. Es sei wichtig, ergänzt Rettig, dass „die Leute in ihrer Unterkunft nicht zur Untätigkeit verdammt sind“. Arbeit helfe ihnen dabei, die schrecklichen Erfahrungen aus ihren Heimatländern zu verarbeiten. Schon nach drei Monaten in Deutschland könnten die Flüchtlinge sich Arbeitsstellen suchen, erklärt Rettig weiter. Nach seinen Angaben sind im Landkreis Forchheim im Moment rund 480 Flüchtlinge und Asylbewerber untergebracht: „Die Zahlen steigen stetig, jede Woche kommen 15 dazu.“

Als Hausmeister stellt sich Josef Kalb dem Publikum vor. Kalb sieht sich jeden Tag für zwei bis drei Stunden in der Einrichtung um und kümmert sich um die notwendigen Dinge: „Wenn etwas los ist oder ihr etwas wissen wollt, ruft mich an“, bittet er die Dorfbewohner. „Wir bräuchten dringend noch neun Fahrräder und eine Luftpumpe.“ Mit den Zweirädern könnten die Flüchtlinge etwa zum Einkaufen nach Neuses fahren.

Kalb erklärt auch, dass ein Kinderbett und Spielsachen benötigt würden. Daraufhin hatte der katholische Pfarrer Matthias Steffel unfreiwillig die Lacher auf seiner Seite, als er sich zu Wort meldet und einen Satz mit „Ich habe . . .“ anfing: Ein Zwischenruf aus dem Saal lautet genau an dieser Stelle „. . . ein Kinderbett!“ Eigentlich wollte der Geistliche anbieten, in seinem Gemeindebrief zu Sachspenden aufzurufen.

Alle Redner laden die Dorfbewohner dazu ein, den Kontakt zu und das Gespräch mit den Menschen zu suchen. Bürgermeister Torsten Gunselmann schlägt einen regelmäßigen Begegnungs-Stammtisch im Gasthaus Schneider vor, der erste soll am Sonntag um 15 Uhr stattfinden. „Ich bringe den Kuchen und fränkische Krapfen mit“, bietet Gunselmann an. Uwe Koschyk hakt gleich ein: „Und ich gebe den Kaffee aus.“

In der Diskussion will ein Anwesender wissen, wie die versicherungsrechtliche Lage ist, wenn er jemanden mit seinem Auto zum Arzt fährt. Hier erklärte Werner Lorenz von der Caritas, dass jeder, der ehrenamtlich etwa über die Kirchengemeinde oder den örtlichen Sportverein helfe, darüber auch haftpflichtversichert sei. Rudolf Distler, Rektor der Hallerndorfer Schule, bietet Deutschstunden in seiner Schule für die Kinder an, als das Gespräch auf mögliche Sprachbarrieren kommt.

Mit den Menschen reden

Ganz zum Schluss trifft ein Gast den Nerv des Abends und meint mit Blick auf einen Tisch am Ende des Saals, um den herum sieben Flüchtlinge sitzen: „Wir haben jetzt die ganze Zeit über diese Menschen geredet, jetzt sollten wir mit den Menschen reden.“ Daraufhin stellt Smajl Kolb-Shegor reihum seine Tischnachbarn vor, was mit kräftigem Applaus quittiert wird.

Dass besagter Tisch nach dem Ende des offiziellen Teils dicht umringt war und zahlreiche Pautzfelder auf Deutsch, mit brüchigem Englisch und zur Not auch „mit Händen und Füßen“ das Gespräch suchen, spricht für den Erfolg der Veranstaltung.

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