Pflegechefin schlägt 16-jährige behinderte Patientin

19.9.2018, 17:14 Uhr
Pflegechefin schlägt 16-jährige behinderte Patientin

© Beke Maisch

Zwei Mal wurde die Pflegedienstchefin bereits verurteilt. Nur ein juristischer Formfehler hat ihr nun eine weitere Chance vor dem Landgericht Bamberg eröffnet.

Für Elena F. (Name geändert) steht viel auf dem Spiel. Von allen Seiten droht der Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes Ungemach. Möglicherweise gefährden die Vorwürfe sogar die wirtschaftliche und soziale Existenz der Fachfrau, die seit 27 Jahren den Pflegeberuf ausübt. Sie soll ein 16-jähriges Mädchen mit der Hand gegen das Kinn geschlagen haben. Nachdem die Pflegerin die unbeweglich daliegende, aber immer wieder von epileptischen Krampf- und Schreianfällen Heimgesuchte mit "Halt die Fresse!" angeschrien haben soll.

Wie in den vorigen Instanzen auch bestritt die Angeklagte die Tat. Sie sei Opfer einer böswilligen Rufschädigung geworden, mit der die Mutter des Mädchens sich rächen wollte. Dafür, dass Elena F. nicht auf ihre medizinischen Ratschläge gehört habe. Dafür, dass Elena F. nicht einer Verwandten der Mutter aus dem Ausland die Einreise ermöglicht und ihr einen Job im eigenen Pflegedienst verschafft hätte. Dafür, dass Elena F. der "nur am Geld" interessierten Mutter keinen Anteil an den enormen Zahlungen der Kranken- und Pflegekasse für insgesamt drei schwerbehinderte Kinder gegeben hätte.

Die Mutter habe sich einige Angestellte des Pflegedienstes mit finanzieller Unterstützung gefügig gemacht, die die Geschichte vom Schlag erzählt hätten. Jetzt gehe es ihr nur darum, Schadenersatz und Schmerzensgeld zu kassieren.

Dass sich die 3. Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Markus Reznik überhaupt noch einmal mit der Sache befassen muss, war nach dem eindeutigen Urteil des Amtsgerichtes Forchheim nicht klar. Strafrichterin Silke Schneider hatte im Juli 2017 eine vorsätzliche Körperverletzung erkannt und die bislang nicht vorbestrafte 59-jährige Frau zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt. Weil die Pflegedienst-Leiterin keine Angaben zum monatlichen Einkommen machen wollte, schätzte das Gericht dieses auf 3000 Euro. Daraus ergab sich eine Tagessatzhöhe von 100 Euro, insgesamt also 20 000 Euro. Der Weg in die Berufung am Landgericht Bamberg war da schon vorgezeichnet.

Im Januar 2018 sah die 1. Strafkammer dann sogar eine Misshandlung von Schutzbefohlenen und verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung. Es habe sich nicht nur um ein minderjähriges, sondern durch seine schwere Behinderung auch völlig wehrloses Gewaltopfer gehandelt. Die Angeklagte habe sich "völlig gefühllos gegenüber den Leiden des Kindes" gezeigt. Allerdings war es dabei zu einem juristischen Formfehler bei der Verlesung einiger Protokolle gekommen, so dass das Oberlandesgericht Bamberg im Mai 2018 das Urteil aufhob und eine erneute Berufungsverhandlung beschloss.

Weiteres Verfahren wartet

Die Chefin des Pflegedienstes habe versucht, Leistungen abzurechnen, die gar nicht erbracht worden seien, sagt die Mutter von Elena F. Die Angeklagte sei überfordert gewesen, habe immer wieder die Fassung verloren, dann das bettlägerige Mädchen mit Medikamenten ruhiggestellt oder sie mit Gewalt zum Schweigen gebracht. Auch habe man unnötige Maßnahmen wie eine künstliche Beatmung vornehmen wollen, nur um noch höhere Pauschalen von der Kranken- und Pflegekasse bekommen zu können. Der eigene Ehemann habe mit Elena F. gemeinsame Sache gemacht, nachdem die Mutter diesen wegen häuslicher Gewalt und versuchter sexueller Nötigung angezeigt hatte. Der Mann war übrigens freigesprochen worden.

Während das Jugendamt die grundsätzliche Eignung zur Pflege von Kindern und Jugendlichen bei der Angeklagten überprüft, hat die Kranken- und Pflegekasse für einen Strafprozess gesorgt, der sich demnächst am Amtsgericht Forchheim mit der Frage eines Abrechnungsbetruges befassen wird. Mit einem Urteil wird erst Ende Oktober gerechnet.