Pretzfeld und die Frage: Was macht Orte lebenswert?

17.10.2017, 06:00 Uhr
Gertrud Heidner aus Leutenbach war mit ihrem Dorfladen ein leuchtendes Beispiel für gute Nahversorgung. Weihnachten 2015 sperrte auch sie ihren Laden zu. Das "Ilek" soll nun wieder für vitale Dorfkerne sorgen.

© Franz Galster Gertrud Heidner aus Leutenbach war mit ihrem Dorfladen ein leuchtendes Beispiel für gute Nahversorgung. Weihnachten 2015 sperrte auch sie ihren Laden zu. Das "Ilek" soll nun wieder für vitale Dorfkerne sorgen.

Rund 2500 Einwohner zählt Pretzfeld. Eine Brauerei und eine Brennerei gibt es auch. Was den Bürgern allerdings fehlt, ist ein Einkaufsmarkt. Er steht auf dem Wunschzettel weit oben. Diesen Wunsch zu erfüllen, „ist relativ schwierig“, sagt Bürgermeisterin Rose Stark (SPD/
Ökologen). Zu gering sei die Nachfrage im Ort für einen großen Investor, zudem fehle es an einer geeigneten Fläche in der Gemeinde.

Für den großen Wurf eines Einkaufsmarktes blicken Investoren zunächst auf verkehrstechnisch günstige Lagen wie in Weilersbach, direkt an der Bundesstraße. Im November will dort ein neuer Edeka-Supermarkt mit Café und eine Tankstelle öffnen.

„Wir dürfen uns gegenseitig nicht Konkurrenz machen“, sagt Stark und meint damit die Gemeinden in der Fränkischen Schweiz. Damit bringt sie die Idee des Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzeptes — kurz Ilek — auf den Punkt. In diesem haben sich die zwölf Gemeinden Ebermannstadt, Gößweinstein, Kirchehrenbach, Kunreuth, Leutenbach, Pinzberg, Pretzfeld, Unterleinleiter, Waischenfeld, Weilersbach, Wiesenthau und der Markt Wiesenttal zusammengeschlossen.

Ziel ist es, gemeinsame Probleme — vom Landarztmangel bis hin zu fehlenden Angeboten in der Jugendarbeit — im Team zu analysieren und zu lösen. Gemeindegrenzen sollen überschritten werden. Stark könnte sich ein gemeinsames Radwegkonzept vorstellen. Auch, damit Lücken im Netz künftig der Vergangenheit angehören.

„Es hat einen anderen Stellenwert, wenn wir mit zwölf Kommunen auf den Landkreis zugehen“, beschreibt Stark die Vorteile von Ilek, als einzeln für Projekte zu werben. Dafür hat sich der Zusammenschluss den Namen „Fränkische Schweiz Aktiv“ gegeben.

Bei einem „Allianz-Café“ am Samstag, 21. Oktober, von 9 bis 15 Uhr in der Turnhalle Pretzfeld sollen Bürger aus den teilnehmenden Gemeinden über gemeinsame Herausforderungen und Ziele sprechen. Ein Punkt, über den sich in gemütlicher Kaffeerunde sprechen lassen könnte, ist der demographische Wandel.

Zwar trifft jede Gemeinde die Abwanderung oder Alterung ihrer Einwohner unterschiedlich stark, „eine allgemeine Herausforderung“ stelle das Thema trotzdem dar, sagt Christiane Wichmann, Stadtplanerin vom Architektur- und Ingenieurbüro Perleth aus Schweinfurt. „Die Gemeinden müssen sich Verbündete suchen, alleine sind sie chancenlos.“ Zusammen mit arc.grün, einem Stadtplanungs- und Landschaftsarchitekturbüro aus Kitzingen, führt Wichmann die Ideen der Bürger zu einem Konzept zusammen.

Vitale Dorfkerne

Zuvor werden die Gemeinden auf Herz und Nieren überprüft. Ausgehend von Schwächen und Stärken soll ein Handlungspapier für die Bürgermeister entstehen. Im Bereich des Flächenmanagements sollen Leerstände ermittelt werden. Ziel sind „vitale Dorfkerne“, sagt Ebermannstadts Bürgermeisterin Christiane Meyer (NLE), zugleich Vorsitzende des Ilek-Vereins. Mit einheitlicher Strategie lässt sich ein Gesamtbild für die Orte erreichen, ist sich Meyer sicher. Dass die ersten Ergebnisse nicht von heute auf morgen zu sehen sind, darauf macht Wichmann aufmerksam. „Es sind Prozesse, die stetig andauern.“

Darüber hinaus stellt sich Meyer die Frage, wie attraktiv Gemeinden sein müssen, damit Jugendliche dort wohnen bleiben oder nach ihrer Ausbildung wieder zurückkehren. Schüler der 8. und 9. Klassen vom Gymnasium Fränkische Schweiz, der Realschule wie auch der Grund- und Mittelschule in Ebermannstadt haben sich gemeinsam mit den Jugendlichen der Mittelschule Gößweinstein, sowie der Grund- und Mittelschule Kirchehrenbach darüber Gedanken gemacht. Ihre Ergebnisse präsentieren sie am Samstag.

„Wichtig ist, was die Bürger wollen“, sagt Bürgermeisterin Stark. Der Wunschzettel könnte schnell gefüllt sein: 30.000 Bürger leben laut Meyer im Gebiet der zwölf Gemeinden.

 

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