Rückblick 2013: Sportredakteur geht weiten Weg

2.3.2013, 11:00 Uhr
Rückblick 2013: Sportredakteur geht weiten Weg

© Berny Meyer

Über die schneefreie (zum Glück!) Tartanbahn auf der städtischen Sportinsel weht ein eiskalter Wind. Handschuhe habe ich natürlich vergessen. Es ist Vormittag und normalerweise sitze ich da in meinem warmen Redaktionsbüro am Schreibtisch. Doch anstatt irgendeine popelige „Fit-in-den-Frühling“-Serie zu starten, habe ich beschlossen, selber aktiv zu werden.

Rückblick 2013: Sportredakteur geht weiten Weg

© Berny Meyer

Zwei Mal quälte ich mich bereits im Januar morgentlich aus den Federn, joggte nüchternen Magens im Wald ein paar Kilometer. So richtig zufrieden war ich damit aber nicht. Warum? Man muss dazu wissen, dass ich mehr so in Mannschafts- und Ballsportarten — nehmen wir beispielsweise den Fußball — zu Hause bin. Da findet die Bewegung weniger bewusst statt, der Fokus liegt auf Ball, Gegner und Toren. Vor allem gibt es ja Mitspieler, die notfalls mal ein paar Meter für einen mitlaufen.

Im Wald war ich auf mich alleine gestellt und erkannte mein dramatisches Motivationsproblem. Musik gab mir weder Rhythmus, noch Antrieb. Also klammerte ich mich gedanklich daran, die vor mir liegende Strecke im Detail durchzugehen. Nach der nächsten Kurve noch 250 Meter, dann rechts, und so weiter. Später ertappte ich mich dabei, wie ich den Sekundenabstand an einem markanten Punkt zu einem vor mir laufenden Nordic-Walker abzählte und mich daran ergötzte, wie schnell ich aufholte. Die Freude währte nur kurz, mein Gewissen meldete sich zu Wort. Gemessen an meiner vollmundigen Ankündigung, beim FS-Marathon ganze 16 Kilometer zu schaffen, würden mich solche Sechs-Kilometer-Ego-Streichler-Läufe aber nicht weiterbringen. Ich brauchte einen Coach!

Hier kommt Felix Hentschel, 3000-m-Hindernisspezialist von der LG Bamberg ins Spiel. Gut gelaunt und mit einem Grinsen empfängt der Student mich des Morgens auf der Sportinsel. Ein 24-jähriger Kerl, der von der Olympiateilnahme 2016 träumt. Genau meine Kragenweite. Felix sagt: „Also unter Leichtathleten ist es ratsam, tief zu stapeln und nicht so die große Klappe zu haben.“ Ich verweise auf meine Fußballergene und lache. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Im-Kreis-Laufens hat nur noch Felix gut lachen. Der redet neben mir wie ein Wasserfall über aerobe und anaerobe Ausdauer. Irgendwas mit Sauerstoff. Ich goutiere seine Erläuterungen ab und an mit einem Nicken oder sage „Aso hm“. Meine einzige halbwegs wissenschaftlich fundierte Läufer-Prämisse lautet nämlich: Nicht quatschen — sonst Seitenstechen.

Als Felix auf die Uhr schaut und etwas von „fast zehn Runden“ murmelt, kommt mein Grinsen für einige Minuten zurück. Jawoll, läuft doch super. Beflügelt von meiner augenscheinlich guten Verfassung, erhöhe ich das Tempo für einige Runden. 20 Stück und acht Kilometer wären doch schon was für den Anfang. „Sorry, hab’ mich verzählt“, sagt Felix, als ich mich in der fiktiven 15. Runde befand, „wir hatten viel weniger als ich vorhin dachte. Jetzt sind wir erst bei vier Kilometern.“ In meinem Kopf ging in diesem Moment die Titanic ein zweites Mal unter. Doch so langsam. Auf einen Schlag fiel mir das Vorwärtskommen doppelt schwer.

„Machen wir noch die fünf Kilometer voll und dann Schluss“, schlägt Felix vor, der meinen angestrengten Gesichtsausdruck wohl las. In den folgenden zweieinhalb Runden ist mein Blick starr auf die Laufbahn gerichtet, ich denke von Meter zu Meter (Zitat aus einer populären Ballsportart übertragen) — und an mein warmes Büro, einen Kaffee und einen Krapfen. Derweil plaudert Felix vom „faszinierenden menschlichen Körper“, der so unglaubliche Leistungen vollbringen könne. Davon merke ich nach knapp 24 Minuten und fünf Kilometern noch nichts. Was meint wohl der Coach?

Ich weiß gar nicht, wie viele Runden ich selbst schon auf so einer Laufbahn gedreht habe. Meistens laufe ich ja im Wald, oder anderswo. Da ich mir über die Fitness meines neuen Schützlings nicht im Klaren bin, drehen wir jetzt also Runden auf der 400-Meter-Bahn. Ganz primitiv. Der Herr Sportredakteur will beim Fränkische-Schweiz-Marathon mitlaufen. „Den ganzen Marathon?“, habe ich Kevin gefragt. Schnell kommt die Antwort: „Nein, nein, nur die 16 Kilometer von Forchheim nach Ebermannstadt.“ Na gut, doch auch dafür braucht man ein gutes Training. Darin besteht meine Aufgabe.

Wie die Jäger in Afrika

Als die zweite Runde geschafft ist, unterhalten wir uns über den sportlichen Alltag meines Trainingspartners. Langsam wird mir klar, dass hier eine Menge Training nötig sein wird. Aber das macht ja nichts, jeder hat mal klein angefangen. Wobei der Mensch ja eigentlich für das Laufen geschaffen ist. In Afrika haben Jäger zu Fuß Antilopen zu Tode getrieben, weil die sich nur im Stehen abkühlen können. Der Mensch schwitzt über die Haut, reguliert dadurch seine Temperatur und kann so lange an einem Stück laufen. Wird die Antilope rechtzeitig aufgescheucht überhitzt sie irgendwann.

Vom Überhitzen sind wir weit entfernt. Es hat bestimmt Minusgrade und bei dem Tempo, das wir laufen, dauert es noch eine Weile, bis mir warm wird. Die Gespräche haben wir mittlerweile eingestellt und ich habe Zeit, den Laufstil meines Athleten zu inspizieren. Der Kopf wackelt nicht, sondern bleibt ruhig. Das ist schon mal gut. Die Ellenbogen gehen beim Schwingen leicht nach außen. Typisch Fußballer! Da muss man eben ständig jemanden wegdrängen und seinen Ball verteidigen. Wobei ich auch als Leichtathlet meine Spur im Wettkampf auch behaupten muss, um auf der Zielgerade nicht den längeren Weg über die Außenbahn gehen zu müssen.

Mir bleibt trotzdem nicht das Gejammer erspart, dass wir einen Ball hätten mitnehmen sollen, weil laufen so langweilig ist. Ich sehe Kevins Motivation schwinden und muss zugeben. Auch mir macht die Rundendreherei auf der Bahn bei dem eisigen Wind echt keinen Spaß. „Das nächste Mal laufen wir ja in der Natur, da geht das dann viel schneller vorbei“, sage ich also. Da Kevin nicht abrupt stehen bleibt, verbuche ich das als kleinen Erfolg auf meiner Seite.

Ich referiere über die Wichtigkeit von Gymnastikübungen nach dem Laufen, erkläre den Sinn von Brustwarzenpflastern und atmungsaktiver Laufbekleidung. „Und gute Laufschuhe sind auch total wichtig“, sage ich, und bemerke zum ersten Mal die beiden Plastik-Schalen an den Füßen meines Schülers. „Du brauchst auf jeden Fall neue Schuhe“, stelle ich klar. Wenn der Fuß den Boden berührt, herrschen unglaubliche Kräfte. Bei jedem Schritt das drei- bis fünffache des eigenen Körpergewichts.

Dann die Ziellinie: Wir haben in 25 Minuten zwölfeinhalb Runden geschafft. Das sind fünf Kilometer. Mo Farah, der Olympiasieger von London, schafft das in unter 13 Minuten. Ich klopfe meinem Schützling auf die Schulter. Vielleicht braucht er Trost. „Beim nächsten Mal schaffe ich dann acht Kilometer“, sagt Kevin. Sein Tatendrang ist also noch nicht gebrochen.

Fortsetzung folgt nach der zweiten Trainingseinheit. Was dazwischen passiert, steht hier: blog.nn-online.de/forchheim/

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