Saltorturm war Glücksfall für den sechsstündigen Kulturmarathon

30.6.2014, 17:35 Uhr
Saltorturm war Glücksfall für den sechsstündigen Kulturmarathon

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Zugaben sind im knappgestrickten Zeitplan eigentlich nicht vorgesehen, doch für die Bamberger Band „Faey“ machen die begeisterten Zuhörer und das Technik-Team um JTF-Vorsitzenden Johannes Mehlich eine Ausnahme. Derweil schwirren die poetischen Texte wie kleine Elfen durch das Gewölbe, verweilen bei Sängerin Sandra Elflein (!) und ihrer Violine und kehren hernach wieder zu ihren Verfassern Robert Louis Stevenson oder William Butler Yeates zurück. Doch nicht ohne zuvor Dank ausgefallener alter Instrumente wie einer Drehleier und moderner Rhythmen das Publikum berührt und verzückt zu haben.

Das Mittelalter-Folk-Ensemble aus Thomas Amon (Schlagzeug), Volker Schömig (Gitarre), Dominik Schödel (Percussion) und Baba Hail (Bass) mischt Irisches, Altenglisches und Finnisches, wie der Franke sagen würde, "faey echd schö" zusammen.

Richtiges Thema gefunden?

Den schwächsten Eindruck hinterlässt ohne Zweifel Jochen Prang (Nürnberg). Der Stand-up-Comedian hat sich ausgerechnet Computerspiele als Thema herausgesucht und hat nicht nur deshalb, sondern auch, weil die Besucher immer wieder herein- und hinausströmen, einen wenig beklatschten Auftritt. Und ob es an einem Familiennachmittag wirklich nötig ist, ausführlich über Masturbationsvorlagen zu philosophieren . . .

Das einheimische Musik-Projekt „JaJa“ rettet die Stimmung mit der samtweich-explosiven Stimme Eva Knorrs. Die Rock-Röhre, die zwischen Wolfgang Sturm (Keyboard), Roland Zenk (Bass) und Chris Weigl (Schlagzeug) die Hosen anhat, singt erstmals Pink Floyds „Money“ und Billy Joels „Vienna“, und muss nur den Text ablesen. Die Emotionen hat sie im Blut. Für Rudi Neite (Gitarre) ist es nach dem Auftritt mit seinen Kollegen Johannes Mehlich (Bass) und Dirk Neussinger (Drums), die sich „Jung, schön und freundlich“ nennen und das Kulturspektakel eröffnet haben, bereits die zweite musikalische Exkursion ins Rampenlicht.

Dann ergreifen die Nachwuchsdichter beim Poetry Slam das Wort. Rotzige Rastplatzmontagen wechseln sich ab mit tieftraurigen Texten über tote Mitschüler. Mit ihrem redseligen Moderator Felix Kaden (Erlangen) durchlaufen Ingo Winter (Lauf), Thomas Schmidt (Schwabach), Sarah Maria Nord (Augsburg) und Philipp Czerny (Bubenreuth) irre und wirre Geschichten, bis Julian Kalks (Nürnberg) das Publikum überzeugt und mit einer AltstadtFETZT-Bierflasche gekrönt wird.

Zuvor hat der Wettstreit erzählt von der „Axe“ des Bösen, von seelöwigem Körperbau und Fäkaltauchern, denen das Wasser bis zum Hals steht. Als Side-Kick hat Franz Wald (Pretzfeld) sein Slide-Didgeridoo mitgebracht, das im Aufbau einer Posaune gleicht. Darauf unterlegt er die Gedichte mit dichten Tonteppichen, kommentiert und karikiert die Sätze. Wenn es eher meditativ zugeht, streichelt oder tupft er auf den Klangfeldern seines Hang, einem Instrument aus Stahl und Titan, das aus zwei Halbkugeln zusammengesetzt ist.

Noch subtiler tritt das Mademann-Quintett (Nürnberg) auf. Ihr Jazz, getragen von Frederik Mademanns schwerelosen Saxophon-Winden, lässt Regentropfen auf Andy Williams´ Kopf fallen, während die Saltorturm-Besucher vom Hammond-Sound Lukas Großmanns umspült werden. Die jungen Klangvirtuosen Michael Schumacher (Gitarre), Lokalmatador Georg Stirnweiß (Bass) und Christian Langpeter (Schlagzeug) spielen eigene Arrangements und öffnen so den Blick auf Standards, die emotional mitreißen.

Vokale Glanzleistung

Das Finale bestreitet der JTF-Chor „Messa di Voce“ mit einem kriminell guten Programm. Anführer der Sängerbande aus dem Untergrund ist Ingo Behrens. Der Meckie-Messer-Moritat folgt eine erschütternde Bearbeitung des Falco- Klassikers „Jeanny“, in dem Alexander Sauer als Solist eine vokale und ausdrucksstarke Glanzleistung vollbringt.

Wer im kühlen Saltorturm bis dahin noch keine Gänsehaut hat, für den ist es jetzt soweit. Ein Glücksfall, dass das Wetter so schlecht war, sonst wäre man nie hierher ausgewichen. Ein Raum mit Charakter, Akustik und Platz für die eine oder andere Veranstaltung. Bleibt zu hoffen, dass der Schlüssel dafür nicht wieder jahrelang in der Schublade liegen bleibt.

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