Scheidung per Imam

7.12.2012, 15:51 Uhr

Ein aufgebrachter Anruf zur Verteidigung seines Bruders wurde einem 43-Jährigen aus der Fränkischen Schweiz zum Verhängnis. Seiner Ansicht nach war sein jüngerer Bruder bei seiner Ehescheidung nach islamischem Recht übervorteilt worden. Mit einem Anruf bei der Familie der Braut wollte er ihm nachträglich zu seinem Recht verhelfen. Die Brautfamilie wertete den Anruf jedoch als Morddrohung und erstattete Anzeige. Eine Verurteilung wegen „versuchter räuberischer Erpressung“ vor dem Amtsgericht und fünf Monate auf Bewährung waren nun die Folge.

Ohne den Anruf wäre der Fall wohl nie vor einem deutschen Gericht gelandet: 2011 hatte ein Imam aus der Nähe von Münster zwischen einem 37-jährigen Libanesen aus dem Landkreis Mettmann und einer 20-jährigen Schülerin libanesischer Herkunft aus Aalen nach islamischem Recht eine Ehe vermittelt. Im Dezember 2011 wollte die junge Frau, die sich auf Abitur und Studium vorbereitet, die Verlobung wieder lösen. Ihre Familie unterstützte sie dabei.

Verlobte hatte eingewilligt

Unter der Bedingung, dass sie auf die Brautgabe — laut Braut rund 12500 Euro — verzichte, willigte ihr Verlobter in die Scheidung ein und unterschrieb am 17. Dezember 2011 die Scheidungsurkunde. Den Familienschmuck, Goldschmuck im Wert von rund 3000 Euro, den der Bräutigam seiner Braut in spe zur Verlobung geschenkt hatte, überließ er der jungen Frau als „Geste guten Willens“.

So jedenfalls schilderten es Braut, Brautvater und der Imam. Er sei zu der großzügigen Geste gedrängt worden, lautete die Version des Bräutigams. Der in Deutschland aufgewachsene Metallarbeiter sei des Schriftarabischen nicht mächtig und habe nicht gewusst, was er da unterschreibe.

Braut weg, Familienschmuck weg – das widersprach auch dem Rechtsempfinden des Angeklagten, dem Bruder des Bräutigams. Noch am Abend der Scheidung rief er bei der Beinahe-Schwiegerfamilie an und forderte den Schmuck zurück, „binnen 48 Stunden“, sonst sei der „Kopf ab“, so gaben es Braut und Brautvater sinngemäß zu Protokoll. Tatsächlich wurde der Wortwechsel auf Arabisch geführt. Die Familie fühlte sich bedroht und schaltete die Polizei ein. Ein Jahr später stand der Bruder des Bräutigams nun wegen „versuchter räuberischer Erpressung“ vor dem Schöffengericht. Grundlage der Anklage war die „rechtswidrige Forderung“ des Bruders.

„Rechtswidrig“ nannte der Angeklagte allein die Beanspruchung des Schmucks durch die Braut. Bei dem Schmuck handele es sich um „Blutgeld“, klärte er das Gericht auf. „Blutgeld“ erhalte die Braut nach islamischem Recht mit der Eheschließung und dem Ehevollzug, wenn die Partner und ihre Familien „ein Fleisch und ein Blut“ würden. Weil die Ehe aber noch nicht geschlossen worden war und die beiden noch nicht zusammengelebt hatten, sei auch der Schmuck noch nicht in ihrem „rechtmäßigen Besitz“ gewesen.

Auch nach deutschem Recht ließe sich eine Verlobung lösen und das Verlobungsgeschenk zurückfordern, übersetzte Staatsanwalt Dr. Christopher Rosenbusch die Sachlage in deutsche Verhältnisse. „Ihr Bruder hat seine Ansprüche aber nur teilweise geltend gemacht“, wandte sich Rosenbusch in seinem Plädoyer an den Angeklagten. „Fakt ist, Ihr Bruder hat auf den Schmuck verzichtet“, schloss sich die Vorsitzende Richterin Silke Schneider dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft an. Rechtsanwalt Alexander Seifert hatte auf Freispruch plädiert. Zu undeutlich sei die Sachlage, zu widersprüchlich die Zeugenaussagen.

Das Schöffengericht sprach den Angeklagten dennoch schuldig und verhing fünf Monate auf Bewährung sowie 120 Stunden gemeinnützige Arbeit. Der Angeklagte könne in Berufung gehen, ergänzte die Richterin und riet ihm, zur Brautfamilie jeden Kontakt abzubrechen, nachdem es vor dem Gerichtssaal zu lauten Auseinandersetzungen gekommen war.

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