Spezialtaucher erforschen den Dorfbrunnen

7.4.2014, 06:00 Uhr
Archäologie-Taucher untersuchten den Brunnen in Birkenreuth.

© NN Archäologie-Taucher untersuchten den Brunnen in Birkenreuth.

Früher musste das Wasser – meist von Frauen – vom Talbrunnen 1,5 Kilometer weit über 110 Höhenmeter heraufgetragen werden. Deshalb entschlossen sich die Birkenreuther einst, einen eigenen Brunnen zu bauen. Einschlägige Quellen sprechen vom Jahr 1796, doch ein früherer Gemeinderat hat ein Dokument im Bamberger Staatsarchiv gefunden, das einen Bauantrag 1854 belegt.

Die Bewohner begannen mit Hilfe von Bergleuten aus Auerbach zu graben. Da die Gegend um Birkenreuth reich mit Dolinen gesegnet ist, wusste die Bevölkerung, dass Wasser zu finden sein würde. „Das hat die Leute motiviert“, sagt Bürgermeister Helmut Taut. Weil die wasserführende Lehmschicht erst nach über 60 Metern erreicht wurde, war die Arbeit unglaublich beschwerlich. Ein Arbeiter soll sogar ums Leben gekommen sein. Später kam noch ein Brunnenhaus mit einem 13 Meter hohen achteckigen Turm samt Glocke dazu, das den Ort noch einzigartiger macht.

„Es gibt nicht viele Brunnen auf der Jurahochfläche“, weiß der „Karstpapst“ Dr. Alfons Baier vom Lehrstuhl für Angewandte Geologie in Erlangen. Der Grund: Wegen des schwierigen Baus waren die Brunnen oft genauso teuer wie eine ganze Burg. Deshalb habe man sich meist mit Zisternen begnügt. Obwohl der Ziehbrunnen bis zum Bau der Fernwasserleitung im Jahr 1923 Birkenreuth mit kostbarem Nass versorgte, wurde er nie eingehend untersucht.

Gefährliche Mission

Vor zehn Jahren etwa, erinnern sich die Einwohner, habe sich dann der damalige Feuerwehrkommandant Werner Messingschlager über 30 Meter tief abseilen lassen, um eine Wasserprobe zu entnehmen. Seit dem Wochenende steht fest, dass er sich dabei in Lebensgefahr begeben hat, herrscht doch tief unten im Brunnen eine hohe Konzentration an Schwefelwasserstoff — einem Gift, das über die Haut aufgenommen die Sauerstoffbildung im Blut verhindert und zum innerlichen Ersticken führt.

Seit einigen Jahren schon betreibt der Geologe Alfons Baier Untersuchungen im Karst um Streitberg. Dabei ist er auch auf den Brunnen von Birkenreuth gestoßen. Weil er dort wegen der Tiefe allein mit seinen Studenten nichts ausrichten konnte, erinnerte er sich an ein gemeinsames Projekt mit dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel, dem einzigen mit einem Fachbereich für Unterwasserarchäologie. Dabei wurde im staatlichen Auftrag der Brunnen der Nürnberger Kaiserburg eingehend untersucht.

Obwohl die Forschungstaucher, die jüngst erst in einem „Tatort“ ihr Können unter Beweis gestellt haben, weltweit gefragt sind und mit ihren Filmdokumentationen schon mehrere Oscars gewonnen haben, waren sie nach einer Anfrage von Baier sofort Feuer und Flamme.

Gesichert durch eine Höhlenrettungs-Spezialtruppe der Bergwacht Bamberg und zahlreiche Helfer aus dem Ort ließen sich die Taucher Florian Huber und Uli Kunz über 30 Meter tief abseilen, um dort sprichwörtlich im Trüben zu fischen. Uli Kunz: „Ich konnte keine zehn Zentimeter weit sehen.“ Erkennen konnte er jedoch vier rundherum kunstvoll angelegte Gewölbe, die den gemauerten Brunnenschacht abstützen, bis zu einem Meter lange Holzbalken und ein typisches Sprengloch. Nur erfühlen konnte er unterhalb der Schachtverengung einen seitlichen großen Hohlraum, der möglicherweise sogar einen Eingang zu einer Höhle darstellen könnte.

Alfons Baier hatte auf eine solche Erkenntnis gehofft: „Bei früheren Besuchen habe ich tief unten Fließgeräusche gehört, also müssen da Wasserströmungen vorhanden sein, die Hohlräume ausgewaschen haben.“ Weil die Taucher im zehn Meter tiefen Wasser nichts sehen konnten, haben sie einfach ihre Taschen mit Funden aller Art vollgestopft. Meist handelte es sich um Gesteinsbrocken, die tief schwarz ummantelt waren.

Für Baier nach Aussehen und Gestank ein Indiz für massive Dünger- und Gülleeintragungen, die den Sauerstoffgehalt dort unten gegen Null getrieben haben. Den dabei entstehenden Schwefelwasserstoff kennt Baier vom Silbersee neben dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände und einer Mülldeponie in Nürnberg, wo dieser für eine ganze Serie von tödlichen Badeunfällen verantwortlich ist.

Die Taucher haben unten im Brunnen neben Balken und Bierflaschen aber auch noch eine außergewöhnliche Bakterienbeschichtung der Steine entdeckt — „ganz anders als im Burgbrunnen in Nürnberg“, die sie spontan an einen Einsatz in Mexiko erinnerten. Genauere Untersuchungen müssen noch folgen. Für Florian Huber hat sich der Einsatz auf alle Fälle gelohnt: „Wir haben zwar keine sensationellen archäologischen Funde gemacht, aber wir haben einen ganz außergewöhnlichen Brunnen kennengelernt.“ Baier ist sicher: „In 50 Jahren werden uns die Birkenreuther für die beschwerliche Arbeit feiern. Schließlich wurde der Brunnen erstmals exakt vermessen und fotografiert.“

Egal, was die Dokumentation der Forschungstaucher, die von der Arktis bis zu den Korallenriffen unterwegs sind, auch ergibt, Dr. Baier ist so begeistert, dass er die Taucher auch am Brunnen in Betzenstein einsetzen möchte. Florian Huber, der jahrelang die Forschungsarbeiten in den Höhlen der Halbinsel Yucatán auf der Suche nach Überresten der Maya leitete, hätte nichts dagegen: „Als gebürtiger Münchner komme ich immer wieder gern in heimische Gefilde. Außerdem ist der Betzensteiner Brunnen fast doppelt so tief, noch tiefer als der auf der Nürnberger Burg. Das reizt uns.“

Keine Kommentare