SV Gößweinstein: Sportsfreundinnen seit 50 Jahren

3.4.2018, 07:52 Uhr
SV Gößweinstein:  Sportsfreundinnen seit 50 Jahren
SV Gößweinstein:  Sportsfreundinnen seit 50 Jahren

Freitagabend, 19.45 Uhr, in Gößweinstein: Durch die großen Milchglasfenster der in die Jahre gekommenen Mittelschulturnhalle dringt Licht nach außen – das einzige Lebenszeichen im weitläufigen Schulkomplex. Beim Betreten des Hallenflurs ist die stille Dunkelheit schlagartig ausgesperrt: Ein Durcheinander aus fröhlichen Frauenstimmen schallt hier durch die Gänge. Kein Problem also, auf Anhieb die Damenumkleide ausfindig zu machen. Die 17 mit Sporttaschen ausgestatteten Freundinnen sortieren sich in Sekundenschnelle: Jede hat hier ihren festen Platz. Und das zum Teil seit 50 Jahren.

"Wir waren junge Frauen damals, die einfach Lust auf Sport hatten", erinnert sich die heute 79-jährige Margarete Arnold. Wie praktisch, dass "damals" im Jahr 1968 gerade die Grund- und Mittelschule Gößweinstein gebaut wurde. Inklusive Turnhalle. Sofort meldete der Freundeskreis um Arnold sein Interesse an, diese Halle für Gymnastikstunden zu nutzen. "Unsere Männer waren Fußballer oder Mitglieder im Schützenverein", erklärt die Mitgründerin der Gymnastikgruppe des SV Gößweinstein. "Daher waren wir von vornherein immer nur Frauen." Und diese Frauen trafen sich ab sofort jeden Freitagabend — anfangs versammelten sich noch sechs und zu Spitzenzeiten bis zu 30 Sportlerinnen in der Halle mit den holzvertäfelten Wänden und dem moosgrünen Kunststoffboden. Um Punkt 20 Uhr wurden Matten ausgebreitet und trainiert. Auch Bockspringen, Ringakrobatik und Co. standen in den ersten Jahren auf dem Trainingsprogramm.

Fit mit neuem Knie

"Wir schwingen jetzt nimmer an den Ringen", sagt Margarete Arnold 50 Jahre später. Dafür treibt der flotte Rhythmus aus dem CD-Player von Trainerin Slobodanka Bollmann (die 2004 zur Truppe dazustieß) die Frauen auch auf dem mittlerweile blassgrünen Boden ganz schön an. Neonfarbene Gummibänder heben sich leuchtend von den schwarzen Adidas-Shirts der Damen ab, die sichtlich geübt ihre Stretching-Choreographien vollziehen. Hier und da schnalzt laut ein überspanntes Gymnastikband in die konzentrierte Stille hinein. Aus der Ecke ächzt jemand: "Hast du nicht a weng langsamere Musik? Ich hab doch a neues Knie!". Und alle lachen amüsiert, als es zurückkommt:"Na dann müsst’ es doch jetzt schneller gehen!"

Der Eindruck täuscht nicht: Diese Damenrunde fühlt sich wohl. Auch wenn das Alter der Kursteilnehmerinnen mittlerweile zwischen 52 und 79 liegt, hat sich an der freundschaftlichen Atmosphäre zwischen den Frauen über die Zeit kaum etwas geändert. Neben Margarete Arnold ist auch Brigitte Wolf seit der ersten Stunde bis heute am Ball beziehungsweise auf der Trainingsmatte geblieben. Doch egal, wer im Laufe der Zeit noch dazu kam oder ging, die Gemeinschaft wurde und wird regelmäßig gefeiert. Denn hier bleibt es nicht beim Sport alleine.

Hauptsache zusammen

SV Gößweinstein:  Sportsfreundinnen seit 50 Jahren

© F.: Borges

Ob abenteuerliche Ausflüge, die alljährlichen Faschingsfeiern oder einfach ein gemeinsames Bierchen im Wirtshaus nach dem Training: "Wir pflegen unsere Geselligkeit", fasst Arnold zusammen. In aller Regelmäßigkeit sind die sportlichen Damen miteinander "on tour", besuchten gemeinsam Prag, Hamburg, Malta und viele andere Orte — Hauptsache zusammen. Gekrönt wird jedes weitere gemeinsame Jahr durch die Weihnachtsfeier des Sportvereins. Wer sich hier etwa Plätzchen und lahme Lieder vorstellt, der wird überrascht sein. Lustig und fröhlich geht es zu, Brigitte Kade trägt gemeinsame Erinnerungen in Gedichtform vor und am Ende gibt es immer eine Gewinnerin. Kade erklärt: "Freitags vor unserer Gymnastikstunde wird von jedem ein Euro eingesammelt. An unserer Weihnachtsfeier kriegt jeder seinen Betrag zurück — wer am treuesten da war, geht mit dem meisten Geld heim."

Frau Kade selbst geht an diesem Freitag mit dem schwersten Ordner nach Hause. Mit "1986" ist dieser beziffert und birgt allerlei Erinnerungen aus dem Jahr. "Das ist eine der ersten Sammlungen unserer gemeinsamen Jahre", erzählen die Freundinnen. Neben Fotos von Feierlichkeiten und Ausflügen finden sich auch Postkarten. Wer im Urlaub ist, meldet sich bei den anderen. "Ich schreib immer an die Hüpfdohlen", erzählt Margot Neumann grinsend. Die aus Norddeutschland stammende Gößweinsteinerin wird zwar von ihren Kolleginnen liebevoll "die Preußin" genannt, doch auch nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Amerika kehrte sie gerne in die Sportgruppe zurück. Und nahm sofort wieder ihren Platz in der Umkleidekabine ein — hinten links neben Brigitte.

Von Männern und Freundinnen

"Wie unsere Ehemänner unsere Gruppe finden?" Darauf meint Bollmann ironisch: "Die sind froh, dass wir beschäftigt sind." Plötzlich macht sich ein Anflug von Traurigkeit im Umkleideraum breit, der eben noch von fröhlichen Stimmen erfüllt war. Das Schweigen macht klar, dass manche der Anwesenden bereits Witwen sind. Da fällt beim Umschlagen ein Foto vom Fasching ’86 aus dem Ordner. Spitze Hüte, zerzauste Haare — damals gingen sie alle als Hexen verkleidet. Schon stecken die Freundinnen wieder glucksend die Köpfe über dem Foto zusammen.

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