Tennis: Lockerer Chilene stiehlt Wunner den Pokal

28.6.2015, 20:35 Uhr
Tennis: Lockerer Chilene stiehlt Wunner den Pokal

© Michael Müller

Der Freitag trieb Turnierleiter Gernot Heinzel einige Sorgenfalten auf die Stirn, zogen sich bei den Herren und Damen gleich mehrere Erstrundenpartien der 32-köpfigen Hauptfelder über drei Sätze. So mussten die Organisatoren auf die Plätze der SpVgg Jahn zurückgreifen, um teilweise zwölf Partien gleichzeitig laufen lassen zu können. Bis nach 21 Uhr nutzten sie die Lichtverhältnisse, um alle Achtelfinalisten zu ermitteln. Steckten die Sandplätze den leichten Regen am Samstagvormittag noch weg, führte der heftige Erguss in den frühen Abendstunden zum Abbruch. 

Tennis: Lockerer Chilene stiehlt Wunner den Pokal

© Foto: Michael Müller

Zwei Halbfinalspiele wurden am Sonntag fortgesetzt. Während bei den Damen zwischen Julia Thiem (München) und Katarina Stresnakova (Düsseldorf) der erste Satz erst angebrochen war, hatte Matthias Wunner schon eine 6:3-Führung im Rücken. Der Weilersbachero gewann gegen Dominik Bartels (Braunschweig) auch den zweiten Durchgang 6:3 und zog wie schon 2012 und 2014 ins Endspiel ein. Im Vorjahr musste der 22-Jährige wegen einer Bänderverletzung im Sprunggelenk gegen Mattis Wetzel (Oldenburg) aufgeben. Diesen Konkurrenten hatte er nun im Viertelfinale mit 7:6, 6:2 aus dem Weg geräumt.

Aus Sicht des Veranstalters war es das Traumfinale zwischen der Nummer eins der Setzliste und der Nummer zwei, Jorge Aguilar vom Regionalligisten TC Würzburg. Während Wunner keinen optimalen Turnierstart hinlegte und auf dem Weg ins Viertelfinale einen Satz mit 1:6 gegen einen Qualifikanten abgab, marschierte Aguilar mit vier souveränen Siegen ins Endspiel. Der 30 Jahre alte Chilene debütierte 2006 auf der großen Bühne der Profis bei der ATP und kletterte im Jahr 2010 nach dem Erreichen der ersten Runde bei den French Open, wo er Tomas Berdych unterlag, im Herbst auf Rang 167 der Weltrangliste. Wenngleich er sich dort nicht etablieren konnte und nun wie auch Wunner in der 2. Bundesliga der Weltelite bei Challenger und ITF-Turnieren um Ranglistenpunkte und Siegprämien kämpfen muss, beeindruckte Aguilar in Forchheim mit spektakulärem Tennis. Gelten die Südamerikaner als defensivstarke Sandplatzwühler, so bestach Aguilar mit guter Antizipation, gefühlvollen Hebern, einer dominanten Vorhand und einem einhändigen Rückhand-Slize, der einem durchgeschwungenen Top-Spin in mancher Situation in nichts nachstand.

Biergenuss am Vorabend

Obwohl der Chilene, wie traditionell einige der weit angereisten Gäste für die Nächte bei Vereinsmitgliedern des TC untergebracht, noch am Samstagabend auf dem Forchheimer Altstadtfest beim entspannten Biergenuss gesichtet wurde, war es Wunner, der zum Showdown nicht ausgeschlafen wirkte. „Ich war mit meiner Leistung auch in den vorherigen Spielen nicht so zufrieden, habe mich eher durchgewurstelt. Jorge hat sehr wenig Fehler gemacht und eine gute Länge in seinen Bällen gehabt. Er hat verdient gewonnen. Vielleicht war es bei mir auch eine Kraftfrage am Ende“, gesteht der Weilersbacher, der nach einem Eingriff an der Speiseröhre erst seit zwei Wochen wieder im Training ist. Nachdem der erste Durchgang klar mit 2:6 verloren ging, sahen 300 Zuschauer auf Platz 7, dem Centre-Court, eine Aufholjagd ihres Publikumslieblings.

Bis zum 1:3 war die Fehlerquote bei Wunner nach wie vor hoch, die Beinarbeit ließ zu wünschen übrig, während auf der anderen Seite Aguilar frisch und fokussiert auftrat. Doch Wunner wehrte zwei Breakbälle ab und blieb über das 2:3, 3:4 und 4:5 auf Tuchfühlung. Aguilar, der bereits für Chile im Davis Dup zum Einsatz kam, schimpfte auf spanisch mit sich selbst. Die fachkundigen Beobachter, die beiden Teilnehmern gebührenden Applaus für schöne Ballwechsel spendeten, sprachen dem Lokalmatador, der jetzt druckvoller agierte, noch einmal Mut zu. Tatsächlich konnte Aguilar seine ersten zwei Matchbälle nicht nutzen und eröffnete Wunner die allererste Chance überhaupt, seinem Gegner den Aufschlag abzunehmen. Beim 6:6 gipfelte der Schlagabtausch im Tiebreak. Wunner führte 3:0 und 5:3, gab das Momentum aber wieder aus der Hand. Beim 5:6 setzte er alles auf einen Karte und sprintete nach dem Aufschlag direkt ans Netz, der Passierball von Aguilar war jedoch unerreichbar. „Ich fühle mich hier wie in meinem Wohnzimmer“, sagt Wunner bei der Siegerehrung, „und ich will dieses Turnier gewinnen. Ich verspreche ich komme wieder.“ Aguilar, der zusätzlich zum Siegerscheck über 1200 Euro eine Wildcard für das ATP-Turnier im Herbst in Eckental erhielt, bedankte sich auf spanisch für die tolle Atmosphäre und wird sich sicher gerne an die gezuckerten Erdbeeren zum Frühstück in seiner Gastfamilie erinnern.

Für beide Finalisten geht die Saison erst richtig los. Aguilar verabschiedete sich mit dem Zug in Richtung Niederlande, um vor dem Ligastart in der Regionalliga noch ein Turnier zu spielen. Wunner schlägt ab Dienstag in der Nähe von Trier auf und bestreitet dann am Sonntag den Bundesliga-Auftakt mit dem 1. FC Nürnberg. 

Das Frauen-Endspiel geriet zum Generationsduell. In der einen Ecke ein Stammgast in Forchheim, die Titelgewinnerin von 2012 und 2013, Imke Küsgen (TC Moers). Die 33-Jährige geriet trotz einer Verletzung am Schlagarm bis zum Halbfinale nie in Bedrängnis, ehe ihre auf dem Papier favorisierte Kontrahentin Romy Kölzer (Leverkusen) im zweiten Satz beim Stand von 6:3, 2:2 aufgeben musste. Küsgen bekam es im Finale mit der 17 Jahre alten Katarina Stresnakova zu tun, die am Tag vor ihrem achtzehnten Geburtstag zunächst ihre fortgesetzte Halbfinalpartie mit 6:3, 6:2 für sich entschied. Auch Stresnakowa musste sich dann während des Endspiels von der Physiotherapeutin behandeln lassen, behielt aber im ersten Satz mit 6:3 die Oberhand. Mit einem schnellen 3:0 zu Beginn des zweiten Durchgangs sorgte die Slowakin für die Vorentscheidung und beschenkte sich mit einem 6:1.

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