Tourismuschefin: Fränkische hat Gipfel noch nicht erreicht

3.8.2018, 17:23 Uhr
Tourismuschefin: Fränkische hat Gipfel noch nicht erreicht

© Ralf Rödel

Der Weg nach oben ist beschwerlich. Im echten Leben, wenn es bei 31 Grad im Schatten und drückender Schwüle auf die Burgruine Streitberg geht und im übertragenen Sinn, wenn eine Tourismusregion fit für die Zukunft gemacht werden soll.

Sandra Schneider meistert beides. Trotz eines kürzlich zugezogenen Bänderanrisses kämpft sie sich bis zum Aussichtspunkt. Den Ort für den Treffpunkt hat sich die Geschäftsführerin der Tourismuszentrale Fränkische Schweiz selbst ausgesucht. "Von hier ist viel zu sehen, was unsere Region ausmacht: Die Wiesent, das Familienbad Streitberg die Burgruine Neideck, das Walberla, der weite Blick bis nach Ebermannstadt, die Sinterterrassen, und die Binghöhle." Mehr geht fast nicht auf einen Blick.

Und doch lässt sich nur ein kleiner Ausschnitt der zahlreichen Naturschönheiten der Fränkischen erkennen — das Angebot ist schier unerschöpflich. Drei Schauhöhlen, 30 Burgen und Schlösser, eines der interessantesten und schönsten Kletterareale der Welt und regionalen Spezialitäten, die es längst zu Exportschlagern gebracht haben. Die Gegend hat viel zu bieten.

Qualität vor Preis

Schneider trat ihren Job vor sechs Jahren mit einem Paukenschlag an: Mehr oder weniger deutlich war sie damals für eine Abkehr von Dumpingpreisen, für die die Fränkische insbesondere in der Gastronomie bekannt (und bei Tagesgästen aus dem Raum Nürnberg auch geschätzt) war: "Weg vom Billigimage, weil das tödlich ist. Ich setze auf Qualität, nicht auf den Preis."

Dieses Credo hat sich Schneider trotz des zwischenzeitlichen Shitstorms, der ihr vor allem aus heimischen Kreisen entgegenschlug, bewahrt. Mittlerweile wissen auch die einstigen Kritiker, wie recht die Frau, die aus Niederbayern stammt, hatte. Längst hat sich das Bewusstsein gewandelt, längst wissen Betriebe, dass ein dauerhaften Sich-unter-Wert-verkaufen in den Ruin führt.

Schneider packt derweil die nächsten heißen Eisen an: die Monate November bis März. Da haben noch zu viele Einrichtungen geschlossen, da liegt noch touristisches Potenzial brach. Die 44-Jährige setzt auf beharrliches "Innenmarketing", eine Gutteil ihrer Arbeitszeit investiert sie in Überzeugungsarbeit vor der eigenen Haustüre.

Die muss die Fachfrau in Pottenstein nicht mehr leisten: Der Ort entwickelt sich mehr und zu einem Hotspot. Jüngstes Projekt: Der Skywalk, eine 130 Meter lange Aussichtsplattform als Hängebrücke konstruiert, bietet auch jüngeren Zielgruppen die viel beschworene Action. Wie überhaupt in Pottenstein rund um den "Erlebnisfelsen" viel los ist: Hochseilgarten, Sommerrodelbahn, Felsenbad, Höhle — viele Attraktionen auf engstem Raum.

Zu viel des Guten? Nein, meint Sandra Schneider: "Das ist ein Glücksfall für die Fränkische Schweiz. Denn wir brauchen Leuchttürme." Anders formuliert: Die Mischung muss stimmen. Hier die traditionellen Angebote, etwa das Familienbad in Streitberg, dort die neuen Eventlocations — das erwartet der Tourist von heute. Und fast alles muss sich um das Thema Bewegung und Outdoor drehen. Deshalb kommt die Hauptzielgruppe nach Franken: "Aktive, 40 Plus", so beschriebt Sandra Schneider die Klientel, die unter den Gästen den Ton angibt. "Klettern, Wandern Radeln", stehe ganz oben auf der Wunschliste dieser Urlauber. Wobei beim Klettern auch deutlich jüngere Zielgruppen den Weg an die Felsen finden.

Naturverbunden

"Diese naturverbundenen Urlauber wollen viel auf relativ kleinem Raum erleben." Luxushotel der Fünf-Sterne-Kategorie erwarten die Gäste offenbar nicht. Die Tourismus-Chefin verweist auf das üppige Angebot an Ferienwohnungen und natürlich Hotels mit drei oder vier Sternen. Vier Betriebe haben mittlerweile den vierten Stern, Sandra Schneider ist sich sicher, dass weitere längst den Standard erfüllen, aber die Zertifizierung und den damit verbundenen Auflagen scheuen.

Von einem Wettstreit der Tourismus-Regionen um die Sterne hält sie nichts. Ein Blick in den Bayerischen Wald bestätigt diese Einschätzung: Dort sind Dutzende von Wellnessoasen mit vier oder viereinhalb Sternen aus dem Boden geschossen — so viele, dass die angesichts der hohen Investitionen nötige Auslastung da und dort zum Problem geworden ist.

Die Fränkische Schweiz soll authentisch bleiben — und mit innovativen Angeboten Gäste locken. In Kürze werden wohl erstmals Baumhäuser als Unterkünfte angeboten. In Obernsees nahe der familiengeführten Therme entstehen die eigenwilligen, andernorts schon gefragten Behausungen.

Gefragt unter den Urlaubern ist längst eine möglichst einfache Online-Auskunft. Daran bastelt die Tourismuszentrale seit einigen Jahren: "Wir stürzen uns regelrecht in die Digitalisierung", sagt Schneider und verweist auf eigens geschaffene Stellen. In ihrem siebenköpfigen Team gibt es Spezialisten, die sich um die Gästewünsche kümmern. "Bei uns landen Sie in keinem Callcenter." Ein echtes Plus wie die Online-Buchungsraten belegen. Noch dazu für die Hoteliers eine Arbeitserleichterung.

Luft nach oben sieht die Expertin bei den ausländischen Besuchern: Lediglich acht Prozent der registrierten Übernachtungsgäste stammen nicht aus Deutschland. Hier schlummert Potenzial.

Wobei Sandra Schneider auch auf Defizite in der Region hinweist, die vor einer Charme-Offensive in Italien, Frankreich, Tschechien & Co abgebaut werden müssten — die Mehrsprachigkeit in der Branche.

Das fängt bei der Beschilderung an: Wer sich über die Reste der Streitburg informieren will, kann dies dank der Infotafeln tun — allerdings nur in deutscher Sprache.

Dabei wäre die Fränkische Schweiz für Gäste aus aller Welt durchaus geeignet. Zum Beispiel für Italiener: Die werden in der Genussregion rasch fündig — regionale Bier-, Wurst- und Schnapsspezialitäten kämen gut an, berichtet Schneider von den positiven Rückmeldungen.

Trip nach Bamberg

Viele Urlauber, egal ob Deutsche oder Ausländer, verbinden ihren Fränkische-Schweiz-Aufenthalt mit einem Besuch in einer der umliegenden Städte: Bayreuth, Bamberg, Nürnberg stehen ganz ober auf der Liste. Obwohl diese Kommunen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs von Sandra Schneider liegen, versteht sie die Region als Ganzes: "Ich habe kein Problem damit, wenn der Gast tagsüber eine Ausflug macht, solange er bei uns übernachtet."

Die Tourismuschefin selbst wohnt seit eineinhalb Jahren in Forchheim und ist voll des Lobes über das Angebot in der 33 000-Einwohner-Stadt. Auch hier sieht sie noch Vermarktungsmöglichkeiten: Schließlich sei der Kellerwald der "größte Bierkeller der Welt".

Der Weg nach oben, in neue touristische Ligen ist für die Fränkische Schweiz also noch lange nicht beendet. Dass dabei viel Schweiß fließen muss, ähnlich wie beim Anstieg zur Streitburg, steht außer Frage. Am Ende, da ist sich Sandra Schneider sicher, entschädigt der Gipfelblick für die Mühen.

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