Tucholsky mit Musik: Berührender Abend in Ermreuth

ERMREUTH - „Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und zu sagen: Nein!“: Diesen Ausspruch des deutsch-jüdischen Schriftstellers und Journalisten Kurt Tucholsky haben Martin und Antje Schneider in der Synagoge mit einer szenischen Lesung belegt.

Das aus Berlin kommende Künstlerehepaar Schneider hatte für diesen Abend in Ermreuth Angela Stoll mitgebracht, die am Flügel mit Einspielungen von Friedrich Hollaender, Hanns Eisler, Walter Kollo und Paul Lincke für das Flair der 20er und 30er Jahre sorgte. Sie bildete das musikalische Pendant zu den mit Sorgfalt ausgewählten Texten des lesenden Ehepaares, schloss die Szene und eröffnete die Nachfolgende.

Das Faszinierende der Aussagen Tucholskys verstanden die beiden Vortragenden durch Artikulation geschickt in Szene zu setzen, denn obwohl viele Texte des Autors sich nur durch den Bezug zu seiner Zeit entschlüsseln lassen, haben sie gerade auch heute ihre Bedeutung und Aussagekraft behalten.

Die Texte wechselten sich ab, sie ergänzten sich und regten zum Nachdenken an. Die Pointen waren akzentuiert.  Zu Tucholskys Leben:  1912 erscheint mit „Rheinsberg“, einem Bilderbuch für Verliebte, sein erstes größeres Werk. 1935 stirbt Tucholsky, dessen Bücher auch der Verbrennung durch die Nazis anheim fielen. Er schrieb unter den Pseudonymen Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter Panter und Kaspar Hauser und war in der Redaktion der Schaubühne und als Chefredakteur des „Ulk“, sowie als Korrespondent und Herausgeber der Weltbühne tätig.

Das „Berlinerische“ gaben die beiden Interpreten wieder und vermittelten die Texte des ruhelosen Autors, der sich zeitlebens in Deutschland nicht wohl fühlte und einer der ersten nach der Machtübernahme war, der ausgebürgert wurde. Sie brachten „Tucho“, wie er oft genannt wurde, auch den Zuhörern nahe, die mit ihm bis dahin wenig in Berührung gekommen waren.

Martin Schneider, in Merseburg 1938 geboren, war nach dem Studium der Germanistik und Musikwissenschaft in Halle als Regisseur an verschiedenen Bühnen tätig und als Professor für Szenischen Unterricht an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin angestellt.

Seine Frau Antje war nach der Buchhändlerlehre als Buch- und Musikalienhändlerin tätig, daneben arbeitete sie beim Rundfunk und freischaffend für die Deutsche Schallplatten GmbH in Berlin.

Angela Stoll studierte Klavier in Düsseldorf und lebt seit 1984 in Berlin. Dort arbeitet sie als musikalische Leiterin an verschiedenen Bühnen und als Ko-Repetitorin des Studio-Chors Berlin. Sie absolviert zahlreiche Konzertauftritte in In- und Ausland.