Vince Ebert macht den Auftakt im Forchheimer blätterWald

7.11.2018, 12:00 Uhr
Vince Ebert macht den Auftakt im Forchheimer blätterWald

© Foto: Udo Güldner

Dass gerade ein Naturwissenschaftler aus dem Odenwald wie Vince Ebert nicht alles für berechenbar, planbar und vorhersehbar hält, mag auf den ersten Blick verwundern. Es ist aber der Demut desjenigen geschuldet, der sich mit den letzten Dingen hinter dem Sichtbaren und Vorstellbaren befasst.

Es gelingt dem kabarettistischen Wiedergänger, der sein Labor bereits im Jungen Theater aufgebaut hatte, einerseits wissenschaftlich korrekt zu bleiben, andererseits aber durch praktische, lebensnahe Beispiele das Publikum seine Gedanken ganz anschaulich nahezubringen.

Viele Erfindungen sind dem Missgeschick zu verdanken

Allüberall waltet der Zufall. Auch wenn das aufgeklärte Wesen nicht wahrhaben wollen. Viele Erfindungen wie das Porzellan sind dem Unerwarteten, dem Missgeschick, dem Fehler zu verdanken. Und dem Willen, etwas ganz Großes wie die Mondlandung zu erreichen. Das sei heute mit der Zusammenrottung von Controllern, Juristen, Marktanalysten, Nachhaltigkeitsexperten und Gleichstellungsbeauftragten gar nicht mehr möglich. "So fliegt man nicht auf den Mond. Schon gar nicht von Berlin aus." Es fehle der Mut, mit kindischen, bekloppten Ideen scheitern zu können.

Schonungslos, aber nicht humorlos, das unterscheidet Ebert von humanoiden Lebensformen, in deren Inneren der Algorithmus ohne jede Kreativität sein Werk verrichtet. Er entlarvt statistische Tricks bei Partnervermittlungen. Wenn sich da von den fünf Millionen Leuten in der Datenbank alle elf Minuten jemand verliebte, gingen im Umkehrschluss 99 Prozent der Mitglieder leer aus. Das als Erfolg zu verkaufen . . .

Schneller tot durch Testosteron

Der Diplom-Physiker nimmt sich auch der Frage der Selbstoptimierer an, die das Nicht Krank-Werden zur Religion erhoben haben. Wie man ein längeres Leben erzwingen kann? Da wäre es seiner Aussage nach nicht schlecht, Frau zu sein, mindestens aber Eunuch, denn das männliche Testosteron lässt schneller sterben. Anstatt mit dem Obstessen anzufangen, sollte man mit dem Rauchen aufhören. Ganz nach dem Motto der überlebenskundigen Amöben: "Ball flach halten, keinen Stress und möglichst wenig denken."

Wer Ebert länger zuhört, für den bekommt die zahnlose Alte mit ihrer Glaskugel, die auf dem Rummel den Arglosen das Kleingeld aus der Tasche zieht, beinahe seriöse Züge. So viele dunkle Gestalten geben sich heute als Hellseher aus. Hinter einer "Aura des Diffusen". Sie nennen sich dann Berater oder Coaches und versprechen den Erfolg, den sie selbst nie hatten.

Guru ist kein Ausbildungsberuf

Ebert weiß, wovon er spricht, hat er doch einige Jahre als Unternehmensberater für Banken und Versicherungen gearbeitet. Dann aber erkannt, dass "Guru kein Ausbildungsberuf" ist. Und die Statistiker stets nur in die Vergangenheit blicken, das Gesehene hochrechnen und als Prognose verkaufen. Nur die Vorstellungskraft, nicht jedoch mathematische Spielereien, ermögliche den, oder genauer einen, denkbaren Blick in die Zukunft.

Irgendwann wird Eberts Buch eine ausformulierte Abrechnung mit dem so hoch gepriesenen Bildungssystem, das phantasielose Rechenmaschinen züchtet und das Wissen dem Verstehen, das Nachbeten dem Selber- und Querdenken vorzieht. Maschinen rechnen, Menschen verstehen. Nur einmal irrt sich Ebert. Es war schon vor seinem ersten Satz klar, dass es ein kurzweiliger, lehrreicher und gedankenerweiternder Abend werden würde. Damit musste man rechnen.

Das Programm zum blätterWald 2018 finden sie hier.

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