Vom Ortstreffpunkt bleibt ein verkohltes Gerippe zurück

15.12.2014, 18:14 Uhr
Vom Ortstreffpunkt bleibt ein verkohltes Gerippe zurück

© Fotos: Andrea Munkert

Selbst dem nicht betroffenen Nachbarn ist der Schock noch Stunden später deutlich anzumerken. Mit Tränen in den Augen blickt er hinauf auf den Dachstuhl des Anwesens, das seinem schräg gegenüber liegt. „Ich bin erst aufgewacht, als die Feuerwehr schon vor der Gaststätte steht und ansetzt, die Tür des Gasthauses aufzubrechen.“

Vom Ortstreffpunkt bleibt ein verkohltes Gerippe zurück

Gespenstisch sei es irgendwie gewesen, sagt der Nachbar, „man hat keine Sirene gehört und es hat auch zuerst gar keine lodernden Flammen gegeben“, berichtet er. Kurz vor vier sei das gewesen. Der Mann ist selbst erfahrener Ex-Feuerwehrler, doch: „Angst hat man dann schon um sein eigenes Haus“, gesteht er und schluckt.

Dachstuhl in Flammen

Zuerst schwelten nur Nester, die sich vom Erdgeschoss über die Zwischenbalken und Fehlböden des Gasthauses nach oben hin ausbreiteten und dabei so viel Luft zehren konnten, dass der Dachstuhl zwei Stunden nach der Erstalarmierung in Flammen stand. „Wir sind einfach nur heilfroh, dass nicht noch mehr passiert ist“, sagt der Nachbar, „dass es so glimpflich ausgegangen ist – aber nur, weil die achtjährige Tochter rechtzeitig aufgewacht ist und die Eltern geweckt hat.“ Der Mann schweigt und blickt auf den Schutt, der den Asphalt und das Kopfsteinpflaster im Umfeld ziert: darunter auch schwarze verkohlte Holzstückchen. „Die hat es vom Dachstuhl weggefetzt“, weiß der Anlieger, der nicht namentlich erwähnt werden will.

Als der Dachstuhl noch brannte, habe er Gelegenheit gehabt, mit der Wirtin zu sprechen, einer jungen Frau, die mit ihrem Mann zusammen das „Zeiserla“ erst im Zuge der Betzensteiner Dorferneuerung vor ein paar Jahren saniert hat. „Sie standen natürlich alle unter Schock. Die Frau sagte mir nur noch: Wäre unsere Tochter nicht aufgewacht, wären wir jetzt alle tot.“

Hoch über dem verkohlten Gerippe des Dachstuhls richten zwei Feuerwehrleute die Löschschläuche in den offenen Hauskörper, es zischt und dampft ein wenig, eine Etage tiefer steigen immer noch Rauchschwaden aus einem der Fenster: Die Scheiben – zerborsten, die Blumenkästen davor – schwarz, geschmolzen.

Im unteren Teil der Hauptstraße besprechen sich die beiden Brandermittler von der Kripo Bayreuth, die die Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen haben – wenn sie denn in das Anwesen können. „Momentan können wir noch überhaupt nichts sagen, die Feuerwehr muss sich zuerst sicher sein, alle Brandnester gelöscht zu haben“, sagt Günter Kraut. Das, meint er, sei am Dienstag bestimmt möglich.

Auch der Sachverständige der Brandschutzversicherung, der am späten Mittag bei seinen Klienten, der Wirtsfamilie, vorsprechen und sich ein Bild von der Lage machen will, muss warten und sieht sich die Arbeit der Feuerwehrler aus sicherer Distanz an.

Denn die Familie selbst ist am Mittag nicht mehr vor Ort, sie sind ins Klinikum gefahren, auch, wenn sie nicht verletzt worden sind. „Der Mann war dann doch blass um die Nase“, berichtet der Betzensteiner Feuerwehrmann Thomas Lischka, die gerade die Absperrung in der Hauptstraße überprüft, damit keine Unbefugten oder gar Verkehr die Arbeit der Helfer behindern. „Aber das ist nur verständlich, die stehen einfach nur unter Schock. Wie jeder, dem so etwas widerfährt“, sagt er voller Verständnis und Mitgefühl, während hinter ihm erneut Bewegung in den XXL-Einsatz kommt.

„Rein, Leute!“

Nur wenige Minuten konnte Einsatzleiter Gerd Ziegler verschnaufen, Dann: ein kurzes Signal. „Rein! Leute, wir müssen nochmal rein“, ruft er seinen Betzensteiner Kollegen zu, während er den Helm aufsetzend Richtung Gasthaus stürmt. „Wir sind bestimmt auch noch diese Nacht hier beschäftigt“, erklärt Kreisbrandrat Werner Otto.

Immer wieder alarmieren Glutnester, die für die Helfer oft nicht gleich sichtbar sind, die Einsatzkräfte; immer wieder flitzt Gerd Ziegler los, kontrollieren lässt sich das Feuer nur sehr schwer. Doch müde oder gar geschafft sind die Männer und Frauen aus Betzenstein nicht. „Wir haben binnen zwei Sekunden einen Puls von 180, es gibt so viel gleichzeitig zu tun — da ist keine Zeit nachzudenken oder Angst zu haben“, erklärt Ziegler nach seiner Rückkehr aus dem Gebäude.

Bereits seit der Nacht sind drei Wärmebildkameras im Einsatz, mittels derer die Wehrler immerzu nach Brandnestern suchen. Dennoch, sagen Ziegler und Otto unisono, hätten sie nicht verhindern können, dass sich der Schwel- zu einem offenen Brand entwickelt, der dann das komplette Anwesen ruiniert. „Als wir erstmals um 3.40 Uhr eingetroffen sind, gab es Schwelbrände. Zuerst waren nur 60 Männer und Frauen der Wehren Betzenstein, Pegnitz und Ottenhof vor Ort und haben alleine gegen die viele Nester gekämpft und gleichzeitig mussten wir verhindern, dass die Flammen auf die nahe stehenden Häuser übergreifen.“

Erst als der Dachstuhl lichterloh brannte, haben sie landkreisübergreifend nachalarmiert. „Wir haben neben der Pegnitzer noch eine weitere Drehleiter gebraucht und weitere Atemschutzträger. Aus den Landkreisen Forchheim und Nürnberger Land sind die Feuerwehren Obertrubach, Kleingesee, Dippolsdorf, Schwand und die Wehr aus Gräfenberg samt Drehleiter angefahren. Unter den 170 Kräften befanden sich letztlich 30 Atemschutzträger, acht Kräfte aus Pegnitz und Betzenstein kämpften sich zu Beginn durch die Flammen, sie wurden außen durch weitere acht Kräfte gesichert.

„Um kurz vor sieben Uhr drohte der Dachboden herunter zu krachen — da muss ich die Leute schnell abziehen“, erklärt Otto. Das Wichtigste, sagt Otto, sei, dass die Helfer sich auf Ausbildung und Ausrüstung verlassen können. Denn obwohl sie die Coolsten sind, ist so eine Situation schon sehr beklemmend.

Um 6.30 Uhr war Bürgermeister Claus Meyer vor Ort: „Als ich ankam, hat die Gaststätte lichterloh gebrannt.“ Er weiß, was dem Ort künftig fehlen wird: „Die Pilsbar war eben ein Treffpunkt für alle. Das reißt schon eine Lücke. Viel wichtiger ist, dass niemand verletzt wurde.“

Meyer muss sich mit dem Bauhof absprechen, muss die Brandwache versorgen und Toilettenhäuser anfahren. Doch greifen in diesen Tagen in Betzenstein mehr Hände ineinander: Der Gewerbeverein Betzenstein hat der dreiköpfigen Familie bereits Hilfe angekündigt.

Auch der Bund der Selbstständigen Betzenstein/Plech hat die Bürger gleich am Montagabend im Schneckerhaus auf eine Hilfsaktion eingeschworen. Auch der Bürgermeister will helfen, wenn er kann. Der Nachbar der jungen Wirte indes hat ihnen ein schönes Angebot gemacht: Sie dürften auch Weihnachten mitfeiern, wenn sie keine Alternative haben.

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