Was macht die Stadt aus ihrem Rathaus?

13.1.2017, 17:41 Uhr
Was macht die Stadt aus ihrem Rathaus?

© Fotos: André De Geare

Sigrun Wagner leitet das Sachgebiet Neu- und Sonderbauten im städtischen Bauamt. Sie neigt von ihrem Wesen her nicht gerade zu Übertreibungen oder unnötigem Überschwang: „Mir geht es immer um das Bauwerk“, sagt sie. Aber wenn sie aufs Rathaus zu sprechen kommt, ringt sie um den geeigneten Superlativ, um schließlich sachlich zu sagen: „Wir schreiben die Geschichte dieses Hauses neu.“

Und das ist schon ein Hammer, gewissermaßen. Die Geschichte des historischen Rathauses ist ja schon in etlichen Büchern über Forchheims Denkmäler nachzulesen. Doch wie das in der Geschichtsschreibung allgemein und in der Forchheimer Bauforschung im Besonderen halt oft vorkommt: Es gibt Lücken.

Zum Beispiel das Jahr 1535. Damals plante Hans Ruhalm im Auftrag der Stadt den Magistratsbau. Auf dem Fachwerk hat er sich verewigen lassen: „Hans Ruhalm ein Meister gebesen dieses Paus.“ Darunter die Jahreszahl. Aber wo sind die Rechnungen für Handwerker, Baumeister und Co.? Sie sind ebenso verschwunden wie sämtliche anderen schriftlichen Aufzeichnungen zu diesem Projekt. Deswegen blieb uns Heutigen bis zum letzten Jahr verborgen, welches architektonische Juwel „sich Forchheim damals leistete“, wie Sigrun Wagner es ausdrückt.

Der Forchheimer Restaurator Peter Turek brachte es im Rahmen der Schadenskartierung des Prachtbaus ans Licht: Die Fassade des Magistratsbaus sah ursprünglich ganz anders aus. Beim Tag des offenen Denkmals im September sagte Turek, dass es sich um eine Fassade im „klassischen Renaissance-Stil“ handelte, mit größeren, dreigeteilten Fenstern, die im Stecksystem genau zwischen den Holzbalken eingepasst waren: „Meister Ruhalm kannte sich gut aus im Deutschland seiner Zeit, er wusste genau, was er tut“, so Peter Turek.

Was macht die Stadt aus ihrem Rathaus?

Vergleichbare Fassaden seien in Franken ganz selten zu finden, Straßburg und Lübeck können noch als Referenzobjekte dienen. Forchheim in einer Reihe mit Straßburg? Wäre nett gewesen, die Altvorderen hätten der Nachwelt hinterlassen, warum sie sich für eine derart ungewöhnliche Ausführung entschieden. Haben sie aber nicht. Die Diskussion über die Bedeutung des Forchheimer Rathauses fängt in der Fachwelt gerade erst wieder an, sagt Sigrun Wagner.

Historische Vertäfelung

Wie üblich in so alten Gemäuern: Machst du irgendwo etwas auf, fällt dir gleich ein ganzes Geschichtsbuch entgegen. Im ersten Stock des Magistratsbaus wurde eine Bohlenstube entdeckt, also ein Raum mit Wandvertäfelung. Hier empfing offenbar der Bürgermeister seine offiziellen Gäste. Der Raum soll laut Wagner mit den Original-Holzbohlen restauriert werden.

In den Rathaushallen wird demnächst die jedem Forchheimer bekannte Zwischenwand fallen: „Das ist eine neuzeitliche Zutat“, so Sigrun Wagner. Ebenso neuzeitlich sind die unterschiedlichen Ebenen in den Rathaushallen. Sie werden auch beseitigt.

Die Unterwelt des ehemaligen Ausstellungsraumes wird weiter erforscht. Hier sind noch Reste eines Vorgängerbaus zu erwarten. Man darf gespannt sein.

In den Hauptbau von 1402 wurde in den 1860er Jahren der große Rathaussaal eingebaut. Zuvor war der Raum als kommunaler Speicher für Lebensmittel verwendet worden, inklusive Lastenseilzug an der Vorderseite. Dessen Reste wurden ebenfalls erst jetzt wiederentdeckt. Das Rathaus erfuhr in seiner über 500-jährigen Geschichte sehr viele Veränderungen. Die abträglichsten jedoch erst in den 1960ern: Der Einbau des heutigen Treppenhauses wurde mit folgenschweren Eingriffen in die tragende Konstruktion erkauft. Unter anderem deswegen neigte sich die Nordfassade immer mehr dem Rathausplatz zu und muss seit Jahr und Tag abgestützt werden.

Spannende Debatten sind im Stadtrat zu erwarten. Sigrun Wagner sitzt über einem Nutzungskonzept. Die Stadträte müssen entscheiden, wie und zu welchem Zweck das Gemäuer generalsaniert werden soll. Ist es richtig, die ursprüngliche Renaissancefassade zu rekonstruieren (Wagner: „Das ist etwas ganz Besonderes“)? Wie kann die spannende Baugeschichte sichtbar gemacht werden und das Haus gleichzeitig modern nutzbar bleiben — Stichwort: Barrierefreiheit, energetische Sanierung? Welche Amtsstuben sollen überhaupt noch im Rathaus angesiedelt sein?

Und vor allem: Wer zahlt was? Die Kostenberechnung, sagt Sigrun Wagner, kann erst dann starten, wenn einerseits alle Voruntersuchungen abgeschlossen sind und andererseits über die künftige Nutzung entschieden ist. Wie viele Millionen werden fällig? Wagner weiß es nicht. Die Stadt muss auch nicht alles allein zahlen, aber ein erklecklicher Batzen wird es schon werden. Was ist Forchheim sein wichtigstes Baudenkmal am Ende wert?

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