Wenn die Bahn still steht rund um Forchheim

22.10.2018, 13:51 Uhr
Wenn die Bahn still steht rund um Forchheim

© Foto: Huber

Philipp Rothenbacher gehört zu den Redakteuren der Nordbayerischen Nachrichten Forchheim, die täglich von Nürnberg aus pendeln. Während die anderen zwei Kollegen am Montagmorgen auf Weichei gemacht  und das Auto genommen haben, hat er alles auf eine Karte gesetzt: den Schienenersatzverkehr. Das hat er dabei erlebt: 

Ich war auf alles gefasst. Auf Busse, die viel zu spät kommen, spontan auch ausfallen. Auf Klaustrophobie und Sardinenbüchsen-Flair im restlos vollgestopften Innenraum. Und auf einen zeitlich sehr weit nach hinten verschobenen Arbeitsbeginn.

Doch siehe da: Wie im SEV-Plan prophezeit, kommt der Bus gen Bamberg pünktlich um 8.25 Uhr hinter dem Nürnberger Hauptbahnhof an. Da war es bis dahin (auch baustellenbedingt) eng und unübersichtlich, Hunderte warteten, suchten nach ihrer Mitfahrgelegenheit. Ein paar gehetzte DB-Mitarbeiter schickten sich – oft erfolglos – an, zu koordinieren, den richtigen Bus ausfindig zu machen.

Ich habe meinen jedenfalls bestiegen, finde sogar einen Sitzplan. Ein paar wenige Unglückliche müssen sich mit einer Fahrt im Stehen begnügen. Schon beim Einsteigen habe ich erfahren, dass der Großteil meiner Mitpendler nach Erlangen will – dank eines lustigen Frage-Antwort-Spiels zwischen dem Busfahrer und jedem zweiten Fahrgast. Gast: "Halten Sie in Erlangen?" Busfahrer: "Erlangen, Forchheim, Bamberg. Fürth nicht." Mein Geheimtipp für die kommenden Tage: Schildchen am Bus, auf denen steht, wohin er fährt, wären eine preisgünstige und stressmindernde Investition.

Neben mir hat es sich Dirk gemütlich gemacht, er ist in meinem Alter (31), kommt aus der Nürnberger Südstadt (dito) und arbeitet in Erlangen (Okay, immerhin zwei von drei Treffern). Wo er seine Brötchen verdient, will er "einem von der Presse" nicht verraten. Etwa wegen krummer Geschäfte? "Nein, nein", beschwichtigt er, "ist mir so einfach lieber". Viel Zeit zum Plaudern haben wir eh nicht, Dirk ist zu beschäftigt, auf seinem Smartphone mit einem Kumpel aus Fürth zu texten. Der hat es offenbar nicht so komfortabel wie wir, sein Bus sei völlig überladen, "hier kollektives Zusammenquetschen im Stehen", teilt er mit.

Auf der A 73 zwischen Fürth und Erlangen fließt der Verkehr äußerst zäh vor sich hin, NN-Kollegen berichten von Stau, punktuellem SEV-Chaos und Stillstand bei der Gräfenbergbahn. Dirk rechnet mit einem verspäteten Arbeitsbeginn von zehn Minuten. Auch die DB-App lässt mich wissen, dass es "aufgrund von erhöhtem Reisendenaufkommen beim Schienenersatzverkehr zwischen Nürnberg und Bamberg zu Verzögerungen kommt".

Tatsächlich sind es ungefähr zehn Minuten, die unser Bus später als geplant in Erlangen hält, der Großteil der Besatzung steigt aus. Wiedersehen, Dirk – und Hallo, Jasmin. "Weil Sie gerade Zeitung lesen", spricht mich die Nürnbergerin (47) an und fragt: "Wissen Sie, wo der Bus als letztes hält?" Als fachmännischer Zeitungsleser antworte ich: "In Bamberg, nehme ich an." Jasmin schreckt hoch: "Oh, Danke, dann muss ich jetzt aber raus!" Gerade als sie durch die Tür geht, ihren Fuß auf den Erlanger Busbahnhof setzt, kommt mir in den Sinn: Hat sie jetzt gesagt "als letztes" oder "als nächstes"? Bevor ich etwas sagen kann, Durchsage des Fahrers: "Nächster Halt: Forchheim." Jasmin springt zurück. Unser Missverständnis ist im Handumdrehen geklärt, ein kurzes Hoch auf den Busfahrer, wir fahren weiter.

Um 9.30 Uhr erreichen wir den Forchheimer Bahnhof, zwölf Minuten später als geplant. Um 9.59 Uhr sitze ich in der Redaktion, tippe diese Zeilen, die DB-App meint: "Das Reisendenaufkommen hat sich normalisiert und der Schienenersatzverkehr verkehrt wieder ohne Beeinträchtigungen." Für mich war der SEV heute halb so wild. Ziemlich entspannt sogar – wenn man auf alles gefasst ist.

Die Totalsperrung der Bahnstrecke Nürnberg-Bamberg dauert bis 27. Oktober an.

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