Wenn sich die Engel aus dem Holz schälen

28.12.2017, 18:30 Uhr
Wenn sich die Engel aus dem Holz schälen

© Udo Güldner

Viel Zeit für die Kunst hatte Monika Wölfel nie. "Ich hatte mein Leben lang hart zu arbeiten." Schließlich galt es, einen Bauernhof zu führen, sich um das Vieh zu kümmern, die Äcker zu bestellen und die Obstbäume zu pflegen. "Auch wenn wir einen Knecht und eine Magd hatten."

Für die gelernte Landwirtin blieb genug zu tun. Da kam das Schnitzen wie ein Fingerzeig Gottes aus heiterem Himmel. Vor fast einem halben Jahrhundert war das. Damals hütete Monika Wölfel gerade einige Kühe auf der Wiese hinter dem Anwesen. "Sonst hatte ich immer etwas Handarbeit dabei." Diesmal aber hatte sie das Nähzeug vergessen. Ihr Blick fiel auf einen Holzklotz, der auf dem Boden lag. "Ein Messer habe ich immer einstecken." Wie von unsichtbarer Hand geführt entstand ein Kopf. "Ich konnte mir das nicht erklären. Ich hatte doch gar keine Ausbildung."

Der aus Wimmelbach stammende Künstler Hans Gügel (1907-1990) erkannte ihr Talent und förderte es nach Kräften, gab ihr in Erlangen Unterricht und Ratschläge. "Es gab sogar eine Ausstellung im Erlanger Kunstverein und ich habe einige Kunstwerke sogar verkauft." Als "Profi" blickte sie später dem in Neunkirchen ansässigen Felix Müller (1904-1997) über die Schulter. "Besonders seine Engel haben mich beeindruckt." Da konnte Monika Wölfel sich nur stundenweise vom Alltag zwischen Hopfenernte, Schweinefüttern oder Brotbacken freimachen. Das Material für ihre Himmelsgestalten schlug Monika Wölfel mit Säge und Axt höchstselbst im eigenen Wald. "Ich bin auf die Suche nach Bäumen gegangen, deren Form zu meinen Ideen gepasst hat."

Gefährlich scharf

Während Monika Wölfel aus ihrem langen Leben erzählt, das sie vollständig in ihrem Geburtsort Schellenberg und dem Ort ihrer Ehe, dem Weiler Schleinhof, verbracht hat, sind ihre Hände ständig in Bewegung. Mit einem kleinen, gefährlich scharfen Schnitzmesser rückt sie dem Lindenholz zu Leibe. Langsam aber sicher wird daraus ein Engel für eine Krippe. In der Luft liegt ein angenehmer Duft, der dem Zirbelholz auf dem Regal entströmt. "Da hat mein Sohn Bernhard mal ein ganzes Auto voll aus Südtirol mitgebracht." Der Vorrat sei aufgebraucht, jetzt müsse sie mit härterem Kiefernholz arbeiten. Das macht es nicht einfacher.

Dann schildert sie ihre Begegnung mit der "Resl von Konnersreuth" (1898-1962), einer Mystikerin, die durch ihre blutenden Stigmata und jahrelanges Nichtessen Wallfahrten in die Oberpfalz ausgelöst hatte. "Ich war zweimal dort, einmal fiel sie in Ekstase." Das Erlebnis scheint einen starken Eindruck hinterlassen zu haben. Vielleicht blicken deshalb ein strenger Moses, ein tierlieber Franziskus und eine weinende Veronika den Besucher an.

Der Weg zu ihrer kleinen Werkstatt ist gesäumt von Holzfiguren aller Größen, Formen und Farben. Eine schwangere Maria, ein verlorener Sohn, Jesus mit Brot und Wein. "Mit zunehmendem Alter wurden sie immer kleiner, weil meine Kräfte nachließen," bedauert Monika Wölfel, während sie ihren Rollator in Bewegung setzt. Im Inneren des ehemaligen Lagerraumes hängen Kruzifixe an den Wänden, das Werkzeug liegt bereit, eine Reihe an Modellen wartet auf die nächsten Schläge und Schnitte. Der hölzerne Fußboden und die gelbliche Schürze sind von Spänen übersät.

Was nicht nachließ ist ihr tiefer Glaube, den die Katholikin in ihrem Werk zum Ausdruck bringt. "Er hat mir Kraft gegeben - und tut es noch." Die bäuerlichen oder biblischen Motive atmen eine Zuversicht, die auch durch schwere Schicksalsschläge nicht schwand.

Der Glaube hilft

Auch sich selbst hat die unermüdliche Schnitzerin aus einem Holzscheit wachsen lassen. Eine Miniatur zeigt sie als Mutter mit ihren sieben Kindern im Schoß. Nebenan auf der Anrichte wartet ihre Großmutter, eine strenggläubige Frau, die sie in Tracht und mit Gebetbuch porträtiert hat. "Sie hat mich geprägt." Monika Wölfels Werke haben den Weg in die Kirchen in Stöckach, Forth und Eckenhaid gefunden. Außerdem in mehrere Kapelle, darunter auch in Schellenberg. Ihr Messer will Monika Wölfel freiwillig nicht weglegen. "Ich mache weiter, solange der Herrgott es zulässt."

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