Wiesentstraße: Eine verkehrsberuhigte „Rennstrecke“?

30.6.2016, 05:59 Uhr
Wiesentstraße: Eine verkehrsberuhigte „Rennstrecke“?

© Foto: Giulia Iannicelli

„Die Straße wird als Rennstrecke genutzt, vor allem von den Bussen.“ Matthias Griesbauer, 32, ist genervt. Er arbeitet in der Wiesentstraße und sieht täglich, wie Autofahrer über die empfindlichen Pflastersteine hinweg rauschen. Als er letztens langsam – gemäß der Verkehrsschilder – die Straße entlang fuhr, pampte ihn der Fahrer des folgenden Autos an: „Feierst du eine Hochzeit? Hier ist 30!“

Stimmt aber nicht. Bei der Wiesentstraße handelt es sich um eine verkehrsberuhigte Zone, umgangssprachlich auch Spielstraße genannt. Das große blaue Schild, das — nach dem Rechtsabbiegen aus der Hornschuchallee — daran erinnert, ist leicht zu übersehen. Und selbst wenn die Autofahrer die Beschilderung besser sehen würden, hieße es nicht, dass mehr Menschen sich daran halten würden.

Die verkehrsberuhigte Zone beginnt schließlich schon am untersten Ende des Paradeplatzes, unterbrochen von der Ampelanlage zum Marktplatz und der Hornschuchallee, führt weiter durch die Wiesentstraße — bis zur Einmündung in die Bamberger Straße.

Im Einsatz oder Raserei?

Selbst mancher seiner Polizeikollegen scheint das Tempolimit vergessen oder verdrängt zu haben, meint Hartmut Demele, Verkehrssachbearbeiter der Polizei Forchheim. Als eine Streife — ohne Blaulicht — in der Wiesentstraße deutlich schneller als mit Schrittgeschwindigkeit auf Griesbauer zufuhr, stellte der sich mitten in den Weg. „Haben Sie gerade einen Einsatz?“, stellte Griesbauer die Beamten zur Rede. Hätte sich Griesbauer das Kennzeichen aufgeschrieben, hätte es eine Belehrung für den Beamten gegeben, sagt Demele.

Dass sich viele Verkehrsteilnehmer nicht an das Tempolimit auf Schrittgeschwindigkeit halten, ist dem Verkehrsexperten gut bekannt. „Die Frage ist jedoch, ob ich eine Verkehrsregel durchboxen muss, wenn die Akzeptanz in der Gesellschaft nicht da ist.“ Das allerdings sei eine politische Frage, die er nicht beantworten wolle.

Eine politische Frage, die vor vielen Jahren im Stadtrat bereits beantwortet wurde. 1990 war die Wiesentstraße im Rahmen der Altstadtsanierung erneuert worden. Der beschauliche Eindruck, den das Pflaster vermittelt, war gewollt: Man plante bereits die verkehrsberuhigte Zone, über die nur wenige Autos rollen sollten. Es kam ganz anders: Heute nimmt die Wiesentstraße einen wichtigen Teil der Verkehrsströme der Altstadt auf und ist die wichtigste Zuleitung zur Bamberger Straße. 2000 Fahrzeuge fahren täglich durch sie.

Als Fußgänger erlaubterweise in der Mitte der Wiesentstraße spazieren zu gehen — auch Roland Brütting aus dem Straßenverkehrsamt rät davon ab: „Die Schilder gaukeln Fußgängern eine Sicherheit vor“, sagt er und fügt hinzu: „Die Ausweisung der Wiesentstraße als verkehrsberuhigte Zone entspricht nicht dem Verkehrsaufkommen.“ Auch die Straßenverkehrsordnung gebe ihm recht: „Laut StVO muss in verkehrsberuhigten Zonen eine Aufenthaltsfunktion überwiegen und es darf nur sehr geringer Verkehr herrschen.“ Bei tausenden Autos pro Tag — auch am Paradeplatz — brauche man von „geringem Verkehr“ aber überhaupt nicht sprechen.

Brüttings Vorschlag: Die Verkehrsmengen müssten raus aus der Innenstadt und auf eine Straße verlegt werden, die diese Lasten stemmen kann — zum Beispiel die Adenauerallee. Diese und weitere Ideen wird er bald anbringen können: Nach vielen Jahren soll das Thema Innenstadtverkehr erneut auf die politische Agenda kommen.

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