Wo holt der Klapperstorch bloß den Nachwuchs her?

17.10.2012, 10:00 Uhr
Wo holt der Klapperstorch bloß den Nachwuchs her?

© Udo Güldner

Neun Gruppen aus den drei fränkischen Regierungsbezirken und ein Team aus Hohenlohe-Franken hatten sich um den alle zwei Jahre von Franz Och (Pretzfeld) vergebenen Wanderpokal beworben. Dabei war die Entscheidung für die Jury denkbar knapp. Hunderte Zuschauer erlebten einen abwechslungsreichen Tag, der die Schulturnhalle zur Kulturhalle werden ließ.

Wenn die Hormone verrückt spielen, dann kann man schon mal Sexualkunde und Verkehrserziehung durcheinander bringen. Spätestens dann kommen auch die Noten durcheinander, und die Familie. Einen mit Improvisationen angereicherten Sketch aus dem Alltag der Schüler bringt zum Auftakt die Jugendgruppe der Bühne Erholung 27 Fürth auf die Bühne. Die Nachwuchsdarsteller zwischen 13 und 16 Jahren sind erstmals dabei und fragen, bravoverseucht und nicht mehr ganz unschuldig: „Wo holt der Klapperstorch die Kinder her?“

Blaues Wunder für Altvordere

Schon klar, dass derlei Verfehlungen den Eltern (Tabea Mewis und Tobias Frischling) zu Ohren kommen, die daraufhin beschließen, den „Bienchen-Bestäubungs-Vortrag“ ins Programm aufzunehmen. Und weil es drei Töchter gibt (Luisa Rohe, Julia Wein und Laura Leicht) soll das gleich in einem verbalen Aufwasch erledigt sein. Da erleben die Altvorderen aber ihr blaues Wunder!

„Wir haben einen Stoff gewählt, der etwas mit der Lebenswirklichkeit der Kinder zu tun hat“, erklärt Gruppenleiterin Susanne Lauterbach (45), die gerade eine Ausbildung zur Theaterpädagogin macht. „Dialekt sprechen meine Darsteller kaum, nur der Vater lässt ab und zu etwas hören.“

Das liege an der bunt zusammengewürfelten Truppe von überallher. „Ein Elternhaus mit fränkischem Dialekt hat da kaum einer mehr.“ Dialekt ist beim Kinder- und Jugendtheatertag auch keine Pflicht, wird aber von Manfred Zirkelbach und Walter Tausendpfund, beide von der Arbeitsgemeinschaft Mundarttheater Franken (AG), gerne gehört.

„Ich weiß, dass die AG daran hängt, aber die Entwicklung geht in eine andere Richtung“, prophezeit Susanne Lauterbach. „Und zwingen wollen wir den Nachwuchs auch nicht. Da geht sonst viel Natürlichkeit und Ausdruck verloren.“

Auch Exoten stehen für eine knappe halbe Stunde im Rampenlicht. „In Baden-Württemberg gelten wir als Bayern, in Franken als Schwaben. Sprachlich sind wir aber Franken.“ Als Titelverteidiger startet die Jugendgruppe des Reinsbronner Bühnenzinnobers aus dem Taubertal. Vom Erfolg 2010 sind noch einige „alte Haudegen“ dabei, für Linda Groß und Jens Kellermann ist es jedoch Premiere auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

„Die Zuschauer sind Zeugen eines Arbeitsprozesses. Es ist noch nicht ganz fertig.“ Autor Arno Boas (52) weiß bis zuletzt noch nicht, was Regisseur Ulrich Pfänder aus seiner Vorlage „Die zweite Chance oder Zumba, Zoff und Zickenkrieg“ gemacht hat. „Die ist nämlich nur etwa 30 Minuten lang. Daraus hat er ein abendfüllendes Kriminalspiel um eine Diebstahlsserie in der Schule konstruiert“, so der Lokal-Journalist aus Bad Mergentheim, der seit einem Vierteljahrhundert Mundartstücke verfasst.

Parallel zu dieser spannenden Handlung bereiten sich die Mädchen (Maria Czernjewski, Rebecca Habel, Linda Groß) auf ihr Zumba- und die Jungen (Friedrich Meder, Daniel Wohlfahrt) auf ihr Fußball-Projekt vor. Im Mittelpunkt steht die unangepasste Kira (Tanja Kellermann), der die Straftaten (zu Unrecht) angelastet werden.

Bis die kleinen Hobby-Detektive (Jens Kellermann, Raffael Sachadae), noch cooler als James Bond, aber genauso beleuchtet, das Heft des Handelns ergreifen. „Die Schüler haben besonders im sprachlichen Bereich mein Stück umgeschrieben, um es ihrer Ausdrucksweise anzupassen. Ich schreibe normalerweise für Erwachsene.“

Im Laufe des Tages geht es mal turbulent, mal lustig, dann wieder spannend, nie aber langweilig zu. Nacheinander lassen die Kersbacher Jugendgruppe „Chamäleons“ mit ihrer geistreichen Inszenierung zum Bamberger Domjubiläum (wir berichteten) und die Rohrer Theaterkids mit ihrer fränkischen „Familie Feuerstein“, einem Steinzeitexperiment, den Beifall aufbrausen.

Mundart und Magie

Das Jugendtheater des TSV Rückersdorf darf sich mit seiner wahnsinnig komischen „Familie Brimmelmann“ über einen Sonderpreis freuen, weil es besonders der Mundart verbunden ist. Selbst Zauberei und Magie erobert die Bühne mit „Dorothys Reise“ der Jugendgruppe der MundARTisten Uettingen und dem Kurzauftritt der Jugendgruppe der Undähadää Theaterfreunde (Unterhaid).

„Die Theatergruppe der Realschule Weißenburg konnte vor allem in den Bereichen Mimik und Gestik überzeugen, und in der Art, wie sie die Rollen gespielt und gelebt haben“, so Bastian Riediger von der Bletsch’n Bühna Unterleinleiter, der auch der Jury angehört. Bei ihnen treffen sich die reale Welt und das Märchenland, bis beide bewusstlos am Boden liegen. Zuletzt beobachtet die Junge Bletsch’n Bühna Unterleinleiter, als nörgelnde Tannen im fränkischen Dickicht, alles, was da so an ihnen vorbeiläuft, einfach nur, weil sie sich furchtbar langweilen und den sauren Regen satt haben.

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