ZirkArt: Artisten amüsieren und verblüffen Forchheim

14.9.2014, 17:34 Uhr
ZirkArt-Festival in Forchheim. Vintage! Woman Varieté! vor dem Amtsgericht.

© Michael Müller ZirkArt-Festival in Forchheim. Vintage! Woman Varieté! vor dem Amtsgericht.

Jeff Hess (USA) rast durch den Innenhof der Kaiserpfalz — was gar nicht so einfach ist, so viele wollen ihn sehen. Tempo und Temperament sitzen bei ihm, einem Meister der Geräuschimitation, auf dem imaginären Motorrad. Und wenn er von seiner Maschine absteigt und beginnt, sich um einen (nicht existenten) Kaugummi zu kümmern, dann entfacht er mit seinen Grimassen tosenden Jubel.

Mit atemberaubender Akrobatik fesselt das „Trio Satchok“ die Zuschauer in der Sattlertorstraße. In ihrer (her-)umwerfenden Performance werden Tim Belimes (Portugal) und Marius Pohlmanns (Deutschland) Arme und Hände zu menschlichen Trampolinen und Schaukeln, fliegt das Leichtgewicht Galatee Auzanneau (Frankreich) durch die Luft.

Eine ungewöhnliche Darbietung erwartet die Festivalbesucher in der Kaiserpfalz. „vordemtheater“ (Ansbach) hat Georg Büchners „Leonce und Lena“ von der Schrift in den Schritt transponiert. Ein choreographierter Dialog, der die unerträgliche Langeweile der beiden Königskinder spüren lässt, aber nicht ansteckend ist.

Wer die belgische „Compagnie du Mirador“ vom ZirkArt-Festival 2012 noch in Erinnerung hat, der wundert sich über eine viel verträumtere, reifere, weniger technisch spektakuläre Vorstellung als am chinesischen Mast und dem Vertikaltuch. Diesmal dreht sich bei ihnen alles um sich selbst, horizontal und vertikal, in Bewegung und Musik, ein erotischer Reigen.

Ein Blick ins Pfalzmuseums: Die „Taschenkönigin“ alias Annette Grabiger (Bamberg), erweckt Rucksäcke, Koffer und Taschen zum Leben. Für Kinder ab vier Jahren, für Erwachsene hat ZirkArt anderes zu bieten.

Max Calaf Seve zum Beispiel und seine absurden Luftsprünge. Der Spanier füttert die Kinder in der vorderen Reihe mit Brotkrumen, trinkt auf seinem Trampolin im freien Fall einige Schluck schwereloses Wasser oder zieht sich in luftiger Höhe erst einmal gemütlich um.

Vor dem Amtsgericht haben drei Damen die Dinge in die Hand genommen. In historischen Kostümen lassen Jana Korb, Anja Gessenhardt und Silke Schirok das „Vintage! Women! Varieté!“ wiederaufleben. Eine Hommage an die goldenen Zeiten des Zirkus und ihre weiblichen Helden.

Wenige Meter weiter vor der Kaiserpfalz hat Schorsch Bross (Rudendorf) sein eigenes Varieté aufgemacht. Mit dabei sein Aborigine-Alphorn, ein im Schritt klemmendes Hochrad und die Angst im Auge seiner Zuschauer.

Wer getanzte Poesie mag: Stefan Sing und Cristiana Casadio elektrisieren mit ihrem artistischen Tanztheater „Tangram“, in dem er nicht nur mit seinen Bällen spielt, sondern auch mit beider Körper, mit Leidenschaft und Nüchternheit.

Aus der Kapellenstraße dringt Musik, und zwar bis die Zuhörer nicht nur um Zugabe betteln, sondern auch bereits dazu angesetzt haben, auf die Tische zu springen. Hier spielt Peter Till und sein „Universal Druckluft Orchester“, ein kurioser Wagen mit allerlei Musikinstrumenten, die deutschen Schlager komprimieren, das er sogar hörbar wird.

Am Rathausplatz haben derweil vier spanische Klappleitern die Bühne übernommen. Natürlich nicht alleine, sondern sanft geführt von „Doble Mandoble“. Es entspinnt sich ein Synchron-Schwingen, das auf der ersten Stufe noch poetisch ist, auf der obersten Sprosse aber Körperbeherrschung par excellence bedarf. Schließlich liegt Luis Javier Cordoba Pelegrin in zwei Metern Höhe nur mit dem Nacken auf, während sein Bruder auch den letzten Halt noch entfernt.

Die intime Atmosphäre der Roten Mauer liegt Matthias Romir (Nürnberg). Wer den traurigen Clown mit Cyrano-de-Bergerac-Nase, Renaissance-Kostüm und Rollschuhen einmal gesehen hat, bekommt dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf. Mit Keulen, Diabolos und Luftballons zeigt er expressive Jonglage.

Das flammende Finale entzündet „LOOOOP“ (Berlin) mit einer Feuershow im Stil der Roaring Twenties. Die Zwillingsschwestern Hanna und Christina Lange und Francois Erb wirbeln Fackeln, Feuerreifen und andere brennend interessante Gegenstände in fantastischer Geschwindigkeit und originellen Arrangements durch die Luft, tanzen dabei Tango mit Präzision und Leidenschaft.

Im Vergleich zur ZirkArt-Premiere vor zwei Jahren haben Lorenz Deutsch und Annika Gloystein noch einmal die Anzahl der Attraktionen gesteigert. Wer wirklich alles von Anfang bis Ende sehen wollte, der kam um zwei Tage nicht herum. Deshalb für 2016 gleich das ganze Wochenende einplanen. Es lohnt sich.

 

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