Frankens Kultstätte der Nazi-Propaganda

27.11.2007, 00:00 Uhr
Frankens Kultstätte der Nazi-Propaganda

© dem Buch entnommen

Der Ort hatte alles, was die nach Selbstinszenierung gierenden Nationalsozialisten suchten: Am Hesselberg durfte man von einer bis auf die Steinzeit zurückgehenden kulturhistorischen Tradition träumen. Der Blick vom Gipfelplateau auf die westmittelfränkische Ebene ließ das Gefühl aufkommen, es weite sich Geist und eigener Horizont. Und außerdem stand der Berg mitten in einer Landschaft, deren Bewohner sich ganz besonders frühzeitig mehrheitlich auf die Seite der Hitler-Partei geschlagen hatten.

Dass Mittelfrankens höchster Berg neben dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände und München als Stadt der Bewegung tatsächlich zur bedeutendsten bayerischen Kultstätte der Nazis wurde, hatte freilich ganz wesentlich auch mit dem narzisstischen Naturell des selbsternannten «politischen Propheten» Julius Streicher zu tun, der hier alljährlich am Wochenende nach der Sommersonnwende ein Bad in der Masse der Volksgenossen zu nehmen beschloss. Beim «Frankentag» auf dem «Heiligen Berg der Franken» wurde nicht dem Führer, sondern dem «Frankenführer» gehuldigt.

Bier und Hasspredigt

Und die Massen strömten. Rund 100 000 Menschen kamen alljährlich. Sie erlebten ein Volksfest mit Bratwürsten, Bier, Turn- und Tanzeinlagen der völkischen Jugend sowie eine vor antisemitischem Hass triefende Hetzrede Streichers. Ganz bewusst spricht Thomas Greif, der sich sechseinhalb Jahre mit der Geschichte dieses eigenartigen NS-Spektakels beschäftigt hat, von einer «braunen Wallfahrt». Die Nazis hätten mit ihrer pseudoreligiösen Veranstaltung «den Zugriff auf die Seele der Menschen gesucht», sagt Greif.

Zeitzeugen bestätigten zudem, dass auch die Teilnehmer den Frankentag «als Gottesdienst erlebten». So sehr wurden die NS-Gläubigen von der Massensuggestion der Kultstätte erfasst, dass es sogar Berichte von der Spontanheilung Kranker gibt. Fast wäre der Hesselberg ganzjährig von den Nazis in Beschlag genommen worden. Der Kriegsbeginn kam Plänen für den Bau einer Adolf-Hitler-Schule in die Quere.

Wunsch, hier begraben zu werden

Und dass sich Julius Streichers Wunsch, dereinst «hier auf dieser heiligen Höhe begraben zu werden», nicht erfüllte, ist dem gerechten Lauf der Geschichte zu verdanken. Zumindest mündlich ist die Idee für ein NS-üblich größenwahnsinniges Julius-Streicher-Mausoleum überliefert. Unter einer 40 Meter hohen Glaskuppel wollte sich der Frankenführer zur letzten Ruhe betten lassen.

Gründlich hat der Historiker Thomas Greif während der Recherchen für seine Dissertation auch nach kritischen zeitgenössischen Stimmen zur «Braunen Wallfahrt» gesucht. Nur an einer Stelle hat er einen Hinweis darauf gefunden. Vorsichtige Einwände gegen die Beflaggung der evangelischen Kirchen mit Hakenkreuzfahnen, waren es. Sehr nachhaltig war der kirchliche Widerstand nicht. Greif: «Der Regierungspräsident wies darauf hin, dass es der Gauleiter nun mal so wolle. Damit war der Fall erledigt.»

Botschaft der Versöhnung

Umso bewusster besetzte die Kirche nach dem Ende des Naziregimes den symbolüberfrachteten Hesselberg. Mit der Errichtung der Evangelisch-Lutherischen Volkshochschule und dem alljährlich hier veranstalteten Kirchentag sollte vom Ort jahrelanger Hasspredigten nun die Botschaft der Versöhnung ausgehen.

Eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Bergs in der Nazi-Zeit fand unterdessen nie statt. Greif, der als Berichterstatter beim Evangelischen Kirchentag auf diese erstaunliche Lücke in der zeitgeschichtlichen Aufarbeitung aufmerksam wurde, hat sie mit seinem wohltuend unakademisch verfassten Buch, das im Selbstverlag des Historischen Vereins für Mittelfranken erschien, selbst geschlossen.

Thomas Greif, Frankens braune Wallfahrt. Der Hesselberg im Dritten Reich. ISBN 978-3-87707-698-9, 627 Seiten, 29 Euro.