Abgesagtes Weinfest: "Das ist kein Spiel mehr!"

26.7.2014, 05:58 Uhr
Bilder von glücklich feiernden Menschen - wie dieses vom letzten Jahr - wird es heuer nicht geben.

© Thomas Scherer Bilder von glücklich feiernden Menschen - wie dieses vom letzten Jahr - wird es heuer nicht geben.

Die Fürther Stadtführerin Gertraud Eggemann weiß erst seit wenigen Minuten von der Absage des diesjährigen Weinfestes, als die NZ sie erreicht. „Ich bin fassungslos und tief enttäuscht“, sagt die Fürtherin, die eigens für das diesjährige Weinfest eine Führung vorbereitet hatte. Diese sollte allabendlich angeboten werden und Hintergründiges zum Thema Wein in Fürth bieten.

„Auf Anregung von Wirtin Susanne Dresel sollten die Führungen ein zusätzlicher Höhepunkt und eine kulturelle Erweiterung des Weinfestes darstellen“, erklärt Eggemann, die viele Stunden Arbeit in das neue Konzept investiert hat. Doch darum geht es ihr am wenigsten: „Ich bin deswegen so sprachlos, weil es gerade mit dem Weinfest doch brave Bürger trifft, die gerne nach Feierabend noch draußen sitzen und ein Schöppla trinken möchten.“ Sie selbst habe das Publikum immer als kultiviert und angenehm empfunden - eben überhaupt nicht als lärmenden Pöbel. Dennoch kann Eggemann die Absage der Wirte vollständig nachvollziehen.

Die Wirtegemeinschaft Gustavstraße ist bekanntermaßen leidgeprüft. In einer Mitteilung beschweren sich die Wirte um Susanne Dresel vom „Gelben Löwen“ und Volker Heybeck vom „Wein & Meer“ nicht nur über die „lebensfremden Maßnahmen“ des Ansbacher Urteils, sondern auch über die eklatante Wettbewerbsverzerrung: Alle anderen Freischankflächen in Fürth dürften ja derzeit grundsätzlich bis 23 Uhr geöffnet haben – was zu einer diffusen Gemengelage führt. Fazit: „Bliebe nur die Polizei einzuschalten, um die (Gustav-)Straße bis 22 Uhr menschenfrei zu bekommen.“

Die Passage im Ansbacher Urteil, in dem davon die Rede ist, dass sowohl Stadt als auch Wirte „nicht unzumutbar in ihren städtischen und wirtschaftlichen Interessen betroffen sind“, empört besonders: Vielmehr seien die Wirte mit bis zu 25.000 Euro in Vorleistung gegangen. Mit denen wurden Flyer, Plakate, Werbeauftritte und Versicherungen bezahlt und vor allem Bands engagiert. Schließlich seien auch Gebühren an die Stadt Fürth entrichtet worden. Auf diesen Kosten wird die Wirtegemeinschaft jetzt wohl sitzenbleiben, wenn sich nicht die Bands und die Sponsoren als großzügig erweisen und trotz der Absage auf Gagen verzichten bzw. die zugesagten Geldmittel als „Solidaritätsbeitrag“ fließen lassen.

Drei Jahre Suche nach einem Kompromiss umsonst

„Wir haben drei Jahre lang nach einem Kompromiss gesucht“, sagt Volker Heybeck müde. „Doch der Gegenseite, die gar nicht mehr selbst in Fürth wohnt, geht es nicht um Lärmschutz – sondern darum, alles kaputt-
zumachen“, glaubt der Wirt des „Wein & Meer“. Nur so sei auch der Zeitpunkt der Antragstellung am Verwaltungsgericht zu erklären: „Jetzt haben wir alle eingekauft, alles ist organisiert.“ Das konsternierte Fazit der Wirte lautet jedenfalls: „Jetzt wünschen wir uns nur noch, zumindest unser Kerngeschäft unbehelligt ausführen zu können.“

Auch Fürths OB Thomas Jung (SPD) ist verständlicherweise wenig amüsiert über die Entwicklung. „Ich kann die Position der Wirte nachvollziehen und verstehe die Absage“, erklärt das Stadtoberhaupt. „In jedem Kuhdorf in Unterfranken gibt es ein Weinfest, bei dem Jung und Alt bis nach Mitternacht zusammensitzen und gemeinsam feiern – und bei uns wird etwas Vergleichbares von Menschen unterbunden, die überwiegend nicht mal mehr in Fürth wohnen.“ Damit geht nun in Fürth eine fast 20-jährige Tradition zu Ende. „Die Entwicklung macht deutlich: Das ist kein Spiel mehr! München muss den Städten und Gemeinden endlich das entsprechende Rüstzeug an die Hand geben, um solch querulatorische Kläger in die Schranken zu weisen“, formuliert Jung scharf.

Landesregierung gefragt

Die Mittel der Stadt seien, von langwierigen Änderungen im Bebauungsplan abgesehen, ausgeschöpft – nun sei die Landesregierung gefragt: Einen möglichen Dreh- und Angelpunkt sieht er im Bayerischen Immissionsschutzgesetz, das nach wie vor von einer Nachtruhe ab 22 Uhr ausgeht. „Das entspricht aber nicht mehr der Lebenswirklichkeit“, ist Jung überzeugt. Es sei höchste Zeit zu handeln, denn bald schlägt die Stunde der Revision vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof: Dann wird unter anderem über die Durchführbarkeit eines generellen Freischankschlusses um 22 Uhr erneut verhandelt. Ein Thema, das auch die Bürgermeister anderer Städte sowie den Gaststätten- und Schaustellerverband in Unruhe versetzt.

Die Vorstellung, landauf landab Feste und Kirchweihen ab halb zehn abzupfeifen, erscheint absurd. „Deswegen kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass der Verwaltungsgerichtshof diesem Urteil folgt“, meint Jung – und schöpft aus dem jüngst in Fürth erfolgten Besuch des Vorsitzenden im zuständigen Umweltausschuss des Landtags, Otto Hünnerkopf (CSU), Hoffnung: Dieser fand offensichtlich nicht die erwartete Partymeile vor, sondern die über Jahrhunderte gewachsene Kneipenkultur der Gustavstraße.

Jungs Parteikollege Horst Arnold wettert hingegen gegen die Staatsregierung, die es im Mai sträflich versäumt habe, Rechtssicherheit herbeizuführen. „Die Konfliktlage war längst bekannt“, erklärt der Fürther Landtagsabgeordnete und Jurist: „Hätte man eine entsprechende Verordnung mit Tagzeiten bis 23 Uhr im Mai in Kraft gesetzt, hätte das VG Ansbach niemals so geurteilt.“ Der SPD-Vorstoß scheiterte damals an der CSU-Mehrheit im Landtag. Ist also das Weinfest letztendlich Opfer einer parteipolitischen Querele?

Stadtführerin Eggemann ist das in ihrer Enttäuschung gleichgültig. Sie überlegt nun, ihre Führung dennoch stattfinden zu lassen. Gewissermaßen als kleine Demonstration für ihr geliebtes Weinfest.

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