Abschied vom Barbante: Ende für einen Kult-Konditor

18.10.2017, 13:30 Uhr
Abschied vom Barbante: Ende für einen Kult-Konditor

© Foto: Budig

Es fühlt sich seltsam an, Luigi Barbante gegenüber zu sitzen und einfach nur zu reden. Der war doch immer der Mann im Hintergrund, man sah ihn in den hinteren Räumen, quasi der Werkstatt des Geschäftes, eilige Verrichtungen unternehmen. Manchmal, meist sonntags, kam er schon nach vorne, half beim Bedienen. Oder er hat rasch ein Blech der Barbante-Bamberger - warm, duftend, buttrig - direkt aus dem Ofen in den Laden getragen und in die Vitrine gelegt. Zack, gemacht und weiter ging’s.

Der Konditormeister ist keiner zum Plaudern, und ein Smalltalker wird er nicht mehr werden. Allerdings ist Barbante in Fürth eine Marke. Mit "Babandäh" verbinden die Fürther den Gedanken an eine Leckerei, etwas unglaublich Wohlschmeckendes. Legendär sind die Butter-Hörnchen, die man niemals Croissants nennen darf. Man hat eine dampfende Tasse Kaffee vor sich, tunkt das krosse Hörnchen ein, schiebt die Spitze in den Mund, zuzelt ein wenig, beißt, kaut, schließt die Augen – und ist einen Augenblick lang wunschlos glücklich.

Jeder, den man kennt, hat sein spezielles Lieblingsstück "beim Barbante". Das französische Baguette. Die Maisbrötchen. Eine etwas fettige Sünde in Form eines napoleonischen Hutes, die am besten ohne Marmelade oder gar Wurst pur verzehrt schmeckt. Florentiner Kirschkuchen. Schwäbischer Kuchen mit so etwas wie Quark und Obst je nach Saison: Zwetschgen, Birnen, Rhabarber. 20 bis 30 verschiedene Kuchen gibt es hier und die Hochzeitstorte auf Bestellung.

Aber auch Bäcker-Standards wie Brezen, Laugenstangen, seine Laugenbrötchen, Käsestangen oder Elsässer, wie die runden Semmeln heißen, sind hier irgendwie besonders. Der Barbante ist ein Händler des kulinarischen Glücks: Mag die Woche lang und hart sein, am Sonntagfrüh geht man zum Barbante, holt sich sein Frühstück und genießt den Tag. Darauf versteht sich Luigi Barbante, Konditormeister, der sich das Bäckerhandwerk selber draufgeschafft hat, dessen Mutter Griechin ist, der Vater Italiener, und der nun, mit 51 Jahren, stolz und ohne eine Exit-Strategie, seinen Laden zusperrt. Zusperren muss?

Die Miete sollte Schritt für Schritt steigen

Gut 130 Quadratmeter haben Backstube, Verkaufsraum und das kleine Café zusammen. Daraus muss nicht nur eine in Teilzeit angestellte Konditorin finanziert werden, sondern auch eine Bäckereiverkäuferin, eine Azubine und stundenweise Hilfskräfte. Dann die Ladenmiete. Und es soll auch etwas für das Familieneinkommen überbleiben. Eigentlich ist hier aber alles immer zu eng, zu wenig Platz etwa, um im Sommer, wenn wenig Torte geht, Eis herzustellen und zu verkaufen.

Dennoch, die besondere Qualität, die Sechstage-Wochen, das 280 Tage-Jahr haben einen stetigen Aufschwung, ein immer besser gehendes Geschäft ermöglicht. Als nun ein neuer Ofen fällig war, besser, größer, aber eben auch 30.000 Euro teuer, haben sie scharf nachgerechnet und waren schon dabei, die Investition zu tätigen. Doch dann wurde das Eckhaus verkauft. Die neuen Besitzer haben den alten Vertrag gekündigt, kamen mit neuen Vorstellungen.

Sie boten den Barbantes schließlich einen Fünfjahresvertrag mit Verlängerungsoption an. In diesem Zeitraum sollte sich die Miete schrittweise erhöhen. Von zunächst höheren Mietvorstellungen rückten die Eigentümer nach Gesprächen mit den Barbantes ab, der letzte Vertragsentwurf habe folgende Regelung enthalten: Die Monatsmiete sollte von heute 870 Euro für die 130 Quadratmeter auf 1200 Euro in fünf Jahren steigen (der Quadratmeterpreis sollte zunächst von 6,69 Euro auf 7,30 Euro klettern und dann auf 9,23 Euro bis 2022: das wäre insgesamt ein Plus von 38 Prozent). Danach wollte man sehen, wie sich Umsatz und Mieten entwickelt haben, und neu planen. Es sollte eine langsame Steigerung auf eine marktgerechte Miete sein, sagen die Eigentümer. Man habe den Barbantes entgegenkommen, den alten Laden gerne im Haus behalten und unterstützen wollen.

Zwei Visionen prallten auf einander

"Für einen kleinen Bäckerbetrieb", sagen die Mieter dagegen, sei eine solche Erhöhung viel. Zudem betonen sie, dass ihnen das obige Angebot so nicht gemacht wurde, sondern eine etwas höhere Miete im Raum stand. Und um investieren zu können - in einen neuen teuren Backofen, eine neue Theke, ein moderneres Ambiente - wäre eine längere Vertragslaufzeit, wäre Planungssicherheit nötig. Ihr Vorschlag: ein Zehnjahresvertrag mit einer jährlichen Erhöhung der Monatsmiete um 50 Euro.

Klar war: Für eine höhere Miete wäre mehr Umsatz nötig. Die neuen Besitzer sahen großes Potenzial in dem kleinen Laden, der was drauf hat. Engagiert setzten sie sich mit den Pächtern zusammen, um Anstöße zu geben, wie man den Umsatz steigern könnten, und Knowhow weiterzugeben. Sie erzählten von beliebten Bäckerketten in England und Frankreich, von leckeren Cupcakes, die das Angebot ergänzen könnten, raffiniert belegten Baguettes, einem Frühstücksangebot, das seinesgleichen sucht. Von Lebkuchen, die man in England vermarkten könnte. Boten an, mit Gabi Barbante nach London zu fliegen.

Die Barbantes hörten sich das an, hatten aber Zweifel. "Wir sind nicht München, Berlin oder Hamburg", sagt Gabi Barbante. "Wir wollen keine Hochglanzbäckerei sein, wir sind bodenständig." Die meisten Kunden hätten einen "normalen Geldbeutel", denen tue es weh, wenn man die Brötchen um zehn Cent erhöhe. Baguettes gäbe es doch überall. Und man wolle, dass auch weiter "die Oma von nebenan kommt oder der verwitwete Herr". Zwei Visionen für den Laden prallten aufeinander. Nachdem man auch in anderen Punkten nicht zusammenfand, Absprachen nicht gut klappten, kam es zu keinem neuen Mietvertrag.

Die Einrichtung wird verkauft

Mit Wehmut, aber ohne Gift und Galle haben Gabi und Luigi Barbante entschieden, den Laden Ende Oktober zu schließen. Wer eine Bistroeinrichtung brauchen kann, Backmaschinen, eine Ladentheke, darf sich schnell melden. Alles wird verkauft.

"Es ist nicht nur die Mieterhöhung", sagen die Barbantes, ein Ehepaar, das sich stets als Team begriff. "So ein kleiner Konditoreibetrieb ist ein aussterbendes Metier", sagt Luigi Barbante und versucht dabei gelassen, abgeklärt zu schauen. "Es ist so schwer, Personal zu bekommen, vor allem Azubis", seufzt Gabi Barbante, die selbst als Bürofachfrau in einem Betrieb arbeitet. Außerdem erledigt sie die Buchhaltung für das Familiengeschäft, steht sonntags hinter der Theke und hat "auch schon mal zwei Wochen unbezahlten Urlaub genommen, weil niemand sonst da war", wie sie sich erinnert.

"Meine Frau hat das Geschäft immer subventioniert, und ich konnte so arbeiten und produzieren, wie ich mir das vorstelle", sagt er nachdenklich. Die Kosten zwicken und zwacken – im Winter kein Problem, aber wenn es heiß wird, geht das Geschäft nur tröpfelnd, und man steht sich hinter der Theke nachmittags die Füße in den Bauch.

Dei Loudn stäid läär

"Wou giddsn heid nu gscheide Beggn/Fräiher woarns an jeder Eggn/Heid gidds blouß nu Beggnkeddn /Blouß däi Woar will mier nedd schmeggn." Das hat der Gaga von der Fürther Band Travelling Playmates für die CD "Gscheid Bläid" so gedichtet. Die nächsten zwei Sonntage werden die Leute wieder zweireihig vor dem Barbante stehen, zehn vor Zehn und warten, bis er öffnet. Jetzt gibt’s auch die wunderbaren Lebkuchen, man kann noch einmal zugreifen. Am Samstag und am Sonntag macht Barbante mehr Umsatz als im Rest der Woche.

Vor gut zwei Jahren hat die Familienbäckerei Fehr in der Leyher Straße, ein Garant wunderbarer Brote, Semmeln, Schokobananen und Nussecken, den Laden dicht gemacht. Jetzt folgen Gabi und Luigi Barbante, der noch gar nicht weiß, wo er künftig das Brot verdient, das er woanders holen muss. Und bald bleiben nur noch Beggnkeddn. "Semmerliverkaiferi, dei Loudn stäid läär/im ganzen Gai gidds kanni Beggn mehr", lautet der Refrain vom Song. So schwindet mit den kleinen Meistern auch der große Genuss. Die Leute, die keinen Unterschied feststellen zwischen Handwerkskunst und Fabrikerzeugnis, werden ohnehin immer mehr.

Nachdem sich die Aussagen beider Seiten bezüglich der angedachten Miete bis 2022 nicht decken, wurde der Artikel am 20. und am 23. Oktober aktualisiert.

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