Abschlusskonzert der Fürther Kirchenmusiktage beschwor die Macht der Freiheit

24.11.2015, 12:30 Uhr
Abschlusskonzert der Fürther Kirchenmusiktage beschwor die Macht der Freiheit

© Foto: Hans von Draminski

Drei Uraufführungen von insgesamt fünf Werken, dessen ältestes sechs Jahre auf dem Buckel hat — das macht nicht jedem, der nichts vorhat, Sprinterbeine. Gleichwohl ist die Auferstehungskirche dreiviertelvoll. Mut und Konsequenz der künstlerischen Leiterinnen Sirka Schwartz-Uppendieck und Inge Schilffarth werden also belohnt, nicht allein mit dem Kultur-Sonderpreis der Stadt vom Vorjahr, sondern mit Zuhörern voller Aufgeschlossenheit und Neugier.

Vielleicht auch voller Fragen, etwa: Hat Musik, die auf apokalytische Begebenheiten der Bibel Bezug nimmt, am Ende womöglich auch in diesen apokalyptischen Tagen Relevanz? Rezitator, Feingeist und Festivaldramaturg Michael Herrschel wusste auch beim Abschlusskonzert einen klugen Bogen zu den Ereignissen von Paris zu spannen. „Solange es möglich ist, religiöse Texte als Literatur zu lesen, leben wir in Freiheit“, so Herrschel in seiner Einführung zu Uwe Strübings „,Und ihnen ward Macht gegeben — Die Apokalyptischen Reiter’“ aus dem Jahr 2009.

Zwei Schlagzeuger (famos: Axel Dinkelmeyer und Werner Treiber), Orgel (Kevin Wagner am frisch sanierten Instrument), Klavier (Schwartz-Uppendieck), so lautet die Kernbesetzung für jene fünf Auftragswerke, die ausnahmslos kolossale Klang-Raum-Erlebnisse ermöglichen durch die Korrespondenz von Altarraum- und Emporen-Musikern und durch prallen Schlagwerk-Schmiss, von dem vorwiegend der Fürther Strübing allerhand Gebrauch machte. Aber es gibt noch mehr Korrespondenzen: Der ästhetisch-intellektuelle Reiz des Nachmittags rührt aus dem Zusammen- und Gegenspiel von Musik und bildender Kunst. So erklingt etwa „Der verlorene Sohn“, eine süffige Nacherzählung der Bibelgeschichte des Hamburger Komponisten Hans Gebhard, während Rembrandts magische „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ als Projektion den Altarraum dominiert.

Über karstige Klippen und Alban Berg’sche Zwölfton-Untiefen führt der junge Kulmbacher Lorenz Trottmann die Zuhörer in „Lilith“, ein Werk, das der jungen norwegischen Mezzosopranistin Solgerd Isalv (vom Opernstudio des Staatstheaters Nürnberg) vorzüglich liegt — eine Sternstunde expressiven Wohlklangs und überlegen fokussierter Vortragskunst, fortgesetzt in Dorothea Hofmanns minimalistischerer, nervös pulsierender „Hulda“. Ysalv, die neulich als Wellgunde und 2. Norn debütierte, wird in dieser Form noch in ungleich glamouröseren Musikmetropolen von sich hören lassen, so viel ist sicher.

Auf existenziell-bedrohliches Orgelcluster-Gewölk versteht sich Halvor Gotsch, wie Gebhard ein Hamburger, in „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin. . .“ Doch seine Klangflächen wollen nicht recht vom Fleck kommen, eine spannungsreiche Binnenökonomie ist allerdings auch Strübings und Hofmanns Sache nicht. Was gut ist, darf zwar lang dauern, aber nicht zu lang, sonst geht die dramaturgische Statik in die Binsen. Die Fürther aber blieben aufmerksam, gebannt, erschüttert. So soll es sein.

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