Altenberger Meuchelmorde

29.3.2017, 17:00 Uhr
Altenberger Meuchelmorde

© Foto: Markus Kohler

"Hier riecht es, als ob jemand gestorben wäre": Anfangs geht dieser Satz dem Putzmann – nein, Pardon, dem "Raumpfleger" – Vernon Previtt noch leicht über die Lippen. Mit rosa Latexhandschuhen (die zartgelben wären ihm allerdings lieber gewesen) und einem ebenso farbenfrohen Staubwedel ausgestattet, muss er im Monument House, dem abgelegenen und von Moorlandschaften umgebenen Familienbesitz der Henks, für Sauberkeit sorgen.

Gerne erledigt Previtt (ausdrucksstark: Johannes Alles) diesen Job nicht. Eigentlich sei er nämlich Schauspieler, der mangels Job-Angeboten eine "Ruhepause" einlege ("Nur normale Leute sind arbeitslos.").

Gemeinsam mit einem Dienstmädchen und dem wegen eines Autounfalls gestrandeten Kinderclown Larry Lewiss (Sven Feldmann) scheint Previtt zu den völlig Ahnungslosen, den zufällig in das Geschehen hineingeratenen Figuren, zu gehören. Selbst die Zuschauer in der voll besetzten Aula der Altenberger Grundschule wissen lange Zeit mehr: Ein blutiger Abend steht bevor.

"Sucht das Weite, solange ihr noch könnt!", möchte man ihnen zurufen. Nicht nur, weil die Familie Henks seit 400 Jahren "Meuchelmord als Geschäft" betreibt. Sondern auch, weil alle anderen Protagonisten frühzeitig über ihre Tötungsabsichten plaudern oder gleich ganz offen ihre Mordinstrumente vorführen.

Und trotzdem – oder besser: gerade deswegen – steigt die Spannung im Verlauf der Aufführung unaufhörlich. Es kristallisieren sich zunächst zwei Gruppen heraus: Einerseits der Henksche Hausanwalt Mortimer Crayle (Lars Petersen) samt seiner Sekretärin und Verehrerin Zoe Mapleton (Ann-Kathrin Zeise). Beide planen an diesem Abend die vollständige Auslöschung des Henk-Familienclans, um an deren Erbe heranzukommen. Hierzu haben sie unter einem Vorwand Octavia (Sonja Jüntschke-Schlee), Augustus (Bjørn Doering), Athene (Heike Bernecker), Fabia (Katja Pöhlmann) und Henry Henk ins Monument House gerufen.

Als Clown maskiert

Doch die Henks wären keine Profikiller, wenn sie nicht schon bald etwas ahnen würden. Noch vor der Pause dann die ersten zwei Morde (Küchenbeil und Pistole), wobei in einem Fall von der Leiche jede Spur fehlt. Zu allem Überfluss tritt der Täter nur maskiert als Clown in Erscheinung. Weitere Verbrechen geschehen (zur Abwechslung diesmal Nikotin und Cyanid aus dem Giftschrank). Es ist paradox: Trotz der unausweichlich sinkenden Zahl an noch lebenden Figuren schafft es niemand, den Mörderclown mit letzter Gewissheit zu enttarnen. Im Gegenteil: Der Kreis der Verdächtigen wird immer kleiner, das Rätseln immer größer. Von Anfang an werden die Zuschauer auf falsche Fährten geführt. So misstrauisch sie dem Stück auch folgen: Am Ende schafft es Autor Norman Robbins, sie dennoch zu täuschen. Wie sich herausstellt, ist der schwule Schauspieler Vernon Previtt weder Schauspieler noch schwul. Und der Kinderclown nicht weniger zufällig in dieses Haus geraten als er. . .

Die durchaus vielschichtigen und sich plötzlich wendenden Handlungsstränge sorgen dafür, dass die einzelnen Morde alles andere als vorhersehbar sind – ganz zu schweigen von der Schuldfrage, wenn Ahnungslose zu Mördern werden. Es zeigt sich: Viele kamen mit bösen Absichten her, alle haben ihre Motive – und bald trägt nicht nur einer Blut an seinen Händen. Es überleben die beiden cleversten – die das Publikum längst ins Herz geschlossen hatte. Das ausgeklügelt konstruierte Stück allein garantiert schon Nervenkitzel und Unterhaltung. Im Falle der Altenberger Bühne kommt noch hinzu, dass die Laienschauspieler in ihren Figuren regelrecht aufblühen. Egal, ob der leicht reizbare, immer hungrige Henry Henk (Christian Rombs) oder die in ihrer anfänglichen Unscheinbarkeit und Aufgelöstheit so geniale Edna Honeywell (Christiane Kohler): Regisseurin Ingrid Meister kann sich über eine gelungene Besetzung freuen.

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