"Am Schluss zahlt immer der Bürger"

20.4.2018, 06:00 Uhr

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Herr Zwingel, keine Strabs und keine Grundsteuer – bröckelt nun den Kommunen ihre finanzielle Basis weg?

Thomas Zwingel: So weit wird es nicht kommen. Es wird eine Kompensation für beide Einnahmequellen geben. Die Frage ist nur, wie der Ersatz dafür aussieht.

 

Über welche Beträge sprechen wir eigentlich?

Zwingel: Auf Zirndorf bezogen fehlen uns durch die Abschaffung der Strabs allein im Haushaltsjahr 2018 437 000 Euro. Hier gibt es die Zusage, dass wir das ab 2019 noch voll ersetzt bekommen, wir werden das also dem Freistaat in Rechnung stellen. Der komplette Wegfall der Grundsteuer wäre für mich inakzeptabel, denn immerhin sind das drei Millionen Euro. Nach der Einkommensteuerbeteiligung und der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer unsere drittstärkste steuerliche Einnahmequelle. Hier ist der Gesetzgeber in Berlin gefordert.

 

Bleiben wir bei der Strabs – wie viel Geld will der Freistaat 2018 zur Verfügung stellen?

Zwingel: Es stehen 65 Millionen Euro pro Jahr im Raum. Aber jetzt ist schon klar, dass das nicht reichen wird, es werden wohl über 100 Millionen Euro sein. Wenn der Differenzbetrag aus dem allgemeinen Finanzausgleich kommt, stehen die Kommunen am Ende schlechter da.

 

Wie viel Einfluss hat der Bayerische Gemeindetag auf die Gesetzesänderung?

Zwingel: Er hat wohl ein Anhörungsrecht, aber kein Vetorecht. Entscheiden wird das der Landtag.

 

Was halten Sie davon, dass Kommunen, die bislang keine Ausbaubeiträge von ihren Bürger verlangt haben, nichts bekommen sollen?

Zwingel: Das halte ich für gerecht. Denn der Verzicht, über die Strabs abzurechnen, war ein Gesetzesverstoß. Es gibt da innerhalb Bayerns gravierende Unterschiede: Nur 35 Prozent der niederbayerischen Gemeinden haben die Strabs angewandt, hingegen 97 Prozent der unterfränkischen. Die Kommunen ohne Strabs haben sich viel Ärger erspart, denn es ist nie angenehm, wenn man dem Bürger in die Tasche greifen muss. Auf die Dauer aber werden wohl alle Kommunen Geld vom Freistaat für den Straßenbau bekommen müssen.

 

Dann sind Sie also nicht unglücklich über die Abschaffung?

Zwingel: Nein, aber es kommt ganz darauf an, wie der Ausgleich ausfällt. Ich befürchte aber noch etwas anderes: Die Begehrlichkeiten der Bürger könnten wachsen. So lange sie selbst ihren Beitrag leisten mussten, war das etwas anderes, aber künftig ist ja das Geld des Freistaates da. Und natürlich ist es schon sehr problematisch, wie dieser Gesinnungswandel zustande gekommen ist.

Wie meinen Sie das?

Zwingel: Man sollte nicht etwas abschaffen und sich hinterher erst überlegen, wie man es kompensieren will. Es gibt sicherlich viele sachliche Argumente gegen die Strabs, über die man diskutieren kann. Aber die Freien Wähler haben mit ihrer Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren Druck gemacht und das zum günstigsten Zeitpunkt vor der Landtagswahl. Die CSU wollte das Problem einfach vom Hals haben. Mir geht es hier zu wenig um die Sache, das ist zu sehr vom Wahlkampf bestimmt.

 

Dass eine Neuregelung der Grundsteuer kommen muss, hatte sich bereits angedeutet, denn die Bemessungsgrundlage dafür ist viele Jahrzehnte alt. Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass bis 2019 eine Reform kommt. Wie könnte die ausfallen?

Zwingel: Im Gespräch sind drei Modelle: das Bodensteuermodell, das sich an den etwa alle zwei Jahre festgelegten Bodenrichtwerten orientiert; das Flächenmodell, das Pauschalen pro Quadratmeter Grundstück und Wohnraum festlegt, und das Kostenwertmodell, das sowohl den Boden- als auch den Gebäudewert berücksichtigt. Alle haben Vor- und Nachteile. Aus Gerechtigkeitsgründen plädiere ich für das Bodensteuermodell, denn es berücksichtigt veränderte Werte. Sein Nachteil ist, es muss regelmäßig an die Bodenrichtwerte angepasst werden, ist also mit erheblichem Aufwand für die Verwaltungen in den Rathäusern verbunden.

 

Es sieht ganz danach aus, also ob die Kommunen zunehmend von den staatlichen Zuwendungen, wie beispielsweise den Schlüsselzuweisungen, leben müssen.Was halten Sie davon?

Zwingel: Da ist etwas dran, insbesondere wenn man daran denkt, dass die Freien Wähler jetzt auch noch die Abschaffung der Erschließungsbeiträge ins Gespräch bringen. So geht immer mehr kommunale Selbstverwaltung verloren. Und bezahlen müssen am Schluss alles ja trotzdem die Bürger, dann halt über ihre Steuern.

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