An der Grenze ist die 10H-Regel ausgesetzt

12.9.2016, 06:00 Uhr
An der Grenze ist die 10H-Regel ausgesetzt

© Foto: Heinz Wraneschitz

„Vermutlich das erste Windprojekt nach 10H“ ist laut Erich Wust die „Bürgerwindenergie Neuhof“. 10H bedeutet: Windräder müssen das Zehnfache ihrer Höhe Abstand zur nächsten Wohnbebauung halten. Das hat die CSU-Mehrheit in Bayerns Parlament vor gut einem Jahr festgelegt.

10H: Das wären hier 2000 Meter gewesen. In dieser Gegend „praktisch unmöglich“, sagt Planer Wust: Nur knapp einen Kilometer weg stehen bereits die ersten Häuser. Dennoch hat das Landratsamt Neustadt den Bauantrag positiv beurteilt. Gerade mal vier Monate hätten die Beamten vom Antrag bis zur Bewilligung gebraucht. „Champions-League-Niveau“ bescheinigt ihnen Wust deshalb.

Wohlwollen der Gemeinde

Doch trotz 10H-Gesetz gibt es diese Windräder. Warum? Das begründet der Markt Erlbacher Windplaner mit „dem Wohlwollen der Gemeinden“. Neuhof habe einen Bebauungsplan für die Aufstellorte der drei Windriesen erstellt; der dortige Gemeinderat hat den Planungen zugestimmt. In solchen Fällen lässt die bayerische Abstandsregel ausdrücklich eine Ausnahme von 10H zu.

Außerdem haben die Ratsgremien der Nachbargemeinden Dietenhofen und Wilhermsdorf das „gemeindliche Einverständnis“ erteilt. Das aber wäre gar nicht nötig gewesen: Auch ohne Einverständnis der Nachbarn hätte der Bebauungsplan gegolten, sagt Wust.

Deshalb kann zum Beispiel ein aktuelles Projekt im Landkreis Fürth gebaut werden: Zwei Windräder in Kirchfembach werden errichtet, obwohl die Nachbargemeinden Hagenbüchach, Puschendorf und Emskirchen das gemeindliche Einverständnis zu dem Bebauungsplan der Stadt Langenzenn nicht erteilt haben.

Seine Neuhofer Ideen hatte Erich Wust im Frühjahr 2015 in sechs Bürgerversammlungen öffentlich gemacht. Danach kamen die Planungen, die artenschutzrechtlichen Untersuchungen, der Bauantrag — und die Genehmigung im Frühjahr 2016. Das Interesse der Bevölkerung war enorm: 189 Bürger rund um die drei Standorte auf Neuhöfer Grund hätten das notwendige Eigenkapital von 4,2 Millionen Euro innerhalb von nur sechs Wochen bereitgestellt. Fünf Prozent „interne Verzinsung vor Steuer“ sagt Wust den Anlegern für die nächsten 20 Jahre voraus.

Und bislang habe es „keinen einzigen negativen Leserbrief in Zeitungen, keinerlei öffentliche Kritik bei der Auslegung der Pläne gegeben“, erinnert sich Wust. Vielleicht, weil sich direkt hinter der Kreisgrenze bereits mehrere Windräder im Dietenhofer Ortsteil Neudorf und in Wilhermsdorf drehen? Oder weil die Gemeinde und ein Pool von 50 Grundstückseigentümern an der Pacht gemeinsam teilhaben?

400 Hektar Vorrangfläche

Neuhof liegt im Naturpark Frankenhöhe, die Windradflächen selbst gehören nicht dazu: Der Regionale Planungsverband hatte schon vor einigen Jahren 400 Hektar wegen der guten Bedingungen als Windfläche „zoniert“.

So muss es auch nicht verwundern, dass die örtliche Raiffeisenbank 12,3 Millionen Euro „Fremdkapital“ für die rein regionale Finanzierung des Projekts aufgebracht hat. Drei Windräder werden errichtet. Dank der für fränkische Verhältnisse guten Windprognosen von durchschnittlich 5,6 Meter pro Sekunde sollen sie künftig mindestens 18,8 Millionen Kilowattstunden Ökostrom im Jahr produzieren. Und, wie Wust stolz ergänzt: „Jeder kann den Strom von hier ab Ende September auch direkt kaufen.“

Im Oktober ans Netz

Denn noch in diesem Monat werde das erste Windkraftwerk seinen Betrieb aufnehmen — an dem sind bereits die Rotoren montiert. Die anderen beiden Anlagen würden im Oktober fertig. Die unteren 55 Meter der Masten stehen bereits, die restlichen Stücke liegen auf den Baustellen. Der dänische Hersteller, der bis auf die Masten alle Teile in Deutschland fertigen lasse, sei momentan gleich mit zwei Montageteams und riesigen Kränen zwischen Neudorf und Rothenhof zugange, berichtet Wust.

Der aktuelle Bauzustand, kurz vor der Fertigstellung, war auch der Grund, zur Besichtigung zu laden. Die Besucher waren an den Details genauso interessiert wie an den riesigen Teilen: Flügel, Gondel, Maststücke, Schrauben. Der Strom wird übrigens ins nahe Umspannwerk des Netzbetreibers Main-Donau-Netzgesellschaft bei Neudorf eingespeist: Die Übergabestation dort steht bereits.

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