Architekt: Nicht immer gleich abreißen

17.5.2013, 16:00 Uhr
Architekt: Nicht immer gleich abreißen

© Hans-Joachim Winckler

Auf Muck Petzet wartet ein Zug. Ins Endlose kann er seinen Vortrag nicht ausdehnen, er muss heute noch zurück nach München, wo er lebt und arbeitet. Letzteres so gut, dass er 2007 und 2012 mit dem Preis „Best Architects“ belohnt wurde. 2012 durfte er den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig gestalten. Dort rückte er ein Thema in den Mittelpunkt, über das er auch vor den rund 100 Fürthern sprechen möchte, die sich in der Freibank am Waagplatz eingefunden haben. Zum Fürther Park-Hotel will sich der Architekt nicht äußern. Zu schwierig sei es, als Außenstehender in eine so „emotionale Debatte“ einzugreifen. Stattdessen beginnt Petzet mit: Müll. Jeder wisse längst, dass es „böse, böse“ ist, scherzt er mit erhobenem Zeigefinger, Abfall in rauen Mengen zu produzieren. Recycling ist okay, noch besser: Müll vermeiden, damit er gar nicht erst entsteht.

Anders verhalte sich die Baubranche. Architekten, sagt er über seine Kollegen, entwickeln gerne Visionen. Sie wollen Neues schaffen; weil Altes schnell im Weg ist, lassen sie es einebnen. Immer wieder werden sogar „voll funktionsfähige Gebäude“ abgerissen, so Petzet. In Deutschland fallen deshalb jedes Jahr ungezählte Tonnen Bauschutt an.

Der 48-Jährige plädiert für einen „neuen Ansatz im Umgang mit vorhandenen Gebäuden“. In ihnen stecken immense Ressourcen. Petzet spricht von „grauer Energie“ und meint damit keinesfalls nur Rohstoffe, die verbaut wurden. Altbauten speicherten darüber hinaus „extrem viel Geschichte und Erinnerung“ sowie jene Energie, die aufgewendet wurde, um sie in die Höhe zu ziehen.

Nachhaltiger Porsche

Es sei ein „fundamentales Missverständnis“, wenn man zwar Brandrodungen geißelt, aber die Abrissorgien in den Städten gutheißt. Wer ein energiesparendes Passivhaus errichtet, dafür aber ein altes Gebäude wegreißt, sorge für eine verheerende Energiebilanz. So absurd es klingen mag: Ein Porsche, sagt Petzet, ist ein sehr nachhaltiges Auto. Nicht wegen der Verbrauchswerte, sondern weil man einen Porsche nie übereilt verschrotten würde.

Petzet verweist auf die grundsätzliche Position der französischen Architekten Lacaton & Vassal: Es geht darum, niemals etwas wegzureißen. Einmal, plaudert Petzet, erhielten die Franzosen einen Preis für die Neugestaltung eines Platzes, weil sie die Menschen davon überzeugt hatten, dass der Platz keinen Umbau benötige.

Laut Petzet führen Abrissbefürworter oft die „Wirtschaftlichkeit“ eines Projekts als Argument ins Felde. Dabei sei es möglich, 30 bis 40 Prozent der Kosten zu sparen, indem man den Bestand nutzt. Man könne alte Häuser umbauen, erweitern und überbauen, aber man sollte sich mit dem Vorhandenen auseinandersetzen und es nicht beseitigen.

Viele Architekten schrecken davor zurück, sagt der Münchner, dabei sei es ungeheuer spannend und lehrreich, sich kreativ mit dem Bestand zu beschäftigen. Meist komme viel Interessanteres heraus. Selbst aus heruntergekommenen Gebäuden lasse sich etwas machen. „Man kann alles erhalten – wenn man sich Mühe gibt“, sagt Petzet abschließend unter dem Applaus der Zuhörer.

Von diesen lässt er sich am Ende doch noch eine Aussage zum Park-Hotel entlocken. Nachdem der Steinmetz und Bildhauer Peter Stutzmann anhand historischer Aufnahmen ein weiteres Mal ausgeführt hat, dass nach seiner Überzeugung unter dem gelben Putz die alte Sandsteinfassade schlummert und dass in anderen Städten Einzelhandel hinter historischen Fassaden üblich ist, sagt Petzet: „Ich bin schon erstaunt, dass so ein Gebäude abgerissen werden soll. Eigentlich ist das gar nicht möglich.“

 

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