Ärzte auf Abruf: "Die ganze Nacht zickzack!"

23.3.2018, 12:00 Uhr
Ärzte auf Abruf:

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) organisiert die Patienten-Versorgung außerhalb der regulären Sprechzeiten um. Sie schafft landesweit mehr Notfallpraxen als feste Anlaufstellen für Leute, die an Mittwochnachmittagen, Wochenenden und Feiertagen akut krank, aber kein Fall für Rettungsdienst und Notarzt sind. Stadt und Landkreis Fürth jedoch bekommen keinen Zuwachs, hier gibt es weiter nur eine Praxis, und zwar die auf dem Gelände des Fürther Klinikums.

Zugleich ordnet die KVB ihre Bereitschaftsdienstregionen neu und fasst kleine Einheiten zusammen. Die Folge: In Fürth niedergelassene Ärzte müssen sich ab August bei Hausbesuchen auf Einsätze beispielsweise ins 40 Kilometer entfernte Pommersfelden (Oberfranken) gefasst machen. Ihre Kollegen aus Langenzenn, Wilhermsdorf und Großhabersdorf, die zur jetzt neu eingerichteten Dienstregion Ansbach-Neustadt/Aisch gehören, werden dann womöglich nach Weiltingen im südlichen Landkreis Ansbach gerufen. Einfach wären das 60 Kilometer und eine Stunde Fahrt.

Dr. Klaus Graup, seit 30 Jahren als Allgemeinarzt in Großhabersdorf, kann das nicht fassen. "Ich verstehe nicht, wieso die KV mit Ansbach und Neustadt/Aisch die größten bayerischen Landkreise zusammenlegt und dann pro Nacht nur einen Bereitschaftsdienstler einteilt." An Wochenenden seien in dem Großgebiet immerhin vier Praxen besetzt, zu denen bis zu drei Fahrdienste kämen.

Im "Fahrdienst" sind Ärzte und Ärztinnen, die die KVB für mobile Einsätze einplant, also für Hausbesuche. Dabei sitzt ein Doktor nicht mehr selbst am Steuer, sondern wird chauffiert. Weil so niemand mehr (nachts) alleine fremde Wohnungen betreten muss, spricht man bei der KVB auch von einem Schutz gegen Gewalt.

In vier von sieben Nächten ein Hausbesuch

KVB-Sprecherin Birgit Grain hatte die "nächtliche Minimalbesetzung" – nur ein Mediziner - auf FN-Nachfrage mit erfahrungsgemäß wenigen Hausbesuchen in dieser Zeit erklärt. Graups Erfahrungen sehen anders aus: In dem kleinen Einsatzgebiet zwischen Emskirchen, Markt Erlbach, Langenzenn und Wilhermsdorf, das er bisher abwechselnd mit rund 20 Kollegen betreute, sei in vier von sieben Nächten ein Hausbesuch fällig geworden. Künftig aber müsse ein Einzelner ein Areal mit mehr als 320 000 Einwohnern abdecken. "Da fahren Sie die ganze Nacht zickzack!" Unzumutbar findet der 60-Jährige das, für die Ärzte und – wegen der langen Wartezeit - für die Patienten. Graup erwägt, seine Praxis aufzugeben und sich um eine Stelle im Krankenhaus zu bewerben, "wenn sich an der Ein-Mann-Besetzung in der Nacht nichts ändert".

Auch Richard Sohn, stellvertretender Sprecher des Fürther Ärztenetzes, hält die "extreme Ausweitung" der Einsatzgebiete für "sehr problematisch": Die Fahrzeit betrage dann ein Vielfaches der Besuchszeit. Und: Ein Arzt falle am Tag nach solch gründlich durchwachten Nächten wahrscheinlich in der eigenen Praxis aus.

Reform hat auch positive Seiten

Trotz aller Kritik können Sohn und Graup der Reform auch Positives abgewinnen. Der Großhabersdorfer erwähnt spontan, besonders Kolleginnen seien dankbar für die neue Team-Lösung im nächtlichen Fahrdienst. Und Sohn sagt, gerade Ärzte auf dem Land litten seit langem unter den Bereitschaftsdiensten. Immerhin kämen sie viel öfter an die Reihe als ihre Kollegen in der Stadt, wo viele Ärzte ansässig sind und sich die Arbeit auf mehr Schultern verteilt.

Graup nimmt an, dass sich seine rund 130 Stunden Bereitschaftsdienst im Jahr halbieren. Zu verdanken hätte er das dann auch einem neuen Pool der KVB von 1000 Ärzten, die im Freistaat privat tätig sind oder an Krankenhäusern und bei Bedarf freiwillig Schichten übernehmen.

Sohn weist im Übrigen darauf hin, dass Bereitschaftspraxen bald länger besetzt sind: bis 21 (jetzt: 18 Uhr), und das täglich. In Fürth soll sich das Anfang 2019 ändern. Sohn findet das gut, nur hätte er dann gern einen gemeinsamen Tresen mit der Notaufnahme des Klinikums, wo sich alle Patienten melden.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst? Wie denken Sie über die Reform? Und: Kennen Sie die Notfallnummer 116117?

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