Ästhetik-Spagat im Reich der Mitte

22.8.2014, 12:15 Uhr
Ästhetik-Spagat im Reich der Mitte
Ästhetik-Spagat im Reich der Mitte

© Fotos: Horst Linke

Der Maler Bernhard Maria Fuchs weilt nicht mehr unter den Lebenden. Anfang diesen Jahres erlag der Oberpfälzer Künstler, der dem einfachen Leben verbunden war, mit 54 Jahren einer Krankheit. So kann nur der Fotograf Christian Höhn (46) Auskunft geben über die eigene Ästhetik und Arbeitsweise.

Gemeinsam ist beiden, dass sie ihr Atelier an Ort und Stelle einrichten. Während Fuchs seine Staffelei zu jeder Tages-, Nacht- und Jahreszeit aufschlug, dabei Wind und Wetter und Sichtverhältnissen trotzte, baut Christian Höhn seine Kameras mit Vorliebe auf Anhöhen und Hochhausdächern auf, um sich Überblick über uferlose Megacities zu verschaffen. Was gar nicht so einfach ist: Erstens gilt es, die fürs Gebäude Verantwortlichen von seinen lauteren Absichten zu überzeugen, zweitens ein wenig Bakschisch zu verteilen und drittens den richtigen Blickwinkel und das passende Wetter zu finden.

Denn die Megacities, die sich ab zehn Millionen Einwohnern aufwärts definieren, hüllen Dunstglocken aus Nebel und Smog ein. Darum wartet Höhn stundenlang, bis die Lichtverhältnisse günstig sind. Meist ist dies in der Dämmerung der Fall. Seine Panoramen in Langzeitbelichtung (bis zu 30 Sekunden) bewirken nun zweierlei: Zum einen suggerieren sie trotz des Großformats und der räumlichen Tiefe nur den Ausschnittcharakter eines uferlosen Molochs, der in seiner Totalität allenfalls als Satellitenfoto zu erfassen wäre. Zum anderen offenbaren sie das Paradox einer menschenleeren Metropole. Passanten gehen in der Langzeitbelichtung verloren, allein die Leuchtspuen der Fahrzeuge und die brennenden Fenster suggerieren Leben und Geschäftigkeit.

Das Auge schweift über die uniformen Gebäude und die wenigen originellen Großbauten, verliert sich hoffnungslos in den Straßenschluchten und orientiert sich an Flussläufen und Bergrücken. Ein klinischer Blick, der ein Gefühl von existenzieller Einsamkeit in der Überfülle vermittelt.

Erdige Farben

Bernhard Maria Fuchs (1959-2014) fühlte sich zeitlebens der Natur und dem einfachen Leben verbunden. Persönlich anspruchslos, lebte er in einem Häuschen im Wald bei Neumarkt — ohne Strom und warmes Wasser. Man sollte meinen, ein solcher Maler empfände Megacities wie Peking oder Shenzhen als Hölle auf Erden. Das Gegenteil ist der Fall. Ebenso die Ästhetik. Wo bei Höhn ultrapenibler Realismus dominiert, herrscht bei Fuchs das Primat der erdigen Farben in wildem, rauem Auftrag.

Es ist gar nicht so einfach, seine Stadtpanoramen und Landschaftsbilder auseinanderzuhalten, denn seine Ölgemälde erweisen sich als Agglomerationen von Farbblöcken, die zwar eine mächtige neoexpressionistische Form- und Farbfülle suggerieren, andererseits aber den Betrachter nicht erschlagen oder verunsichern, sondern harmonisch stimmen.

So erweist sich die Ansicht des damals noch im Bau befindlichen Olympiastadions von Peking, das einem Nest nachgebildet ist, tatsächlich als eine organische Struktur, die sich harmonisch in die Umgebung einfügt. Man mag sich fragen, ob Bernhard Maria Fuchs sich tatsächlich auf die Andersartigkeit der Städte und Landschaften eingelassen oder aber vielmehr das Vertraute im Fremden aufgespürt und betont hat.

Wie auch immer, der Besucher der kunst galerie fürth darf sich knapp drei Sommerwochen lang einem ästhetischen Spagat sondergleichen aussetzen. Wer den einen Künstler bevorzugt, mag den anderen ablehnen oder ignorieren. Fesselnd sind sie beide. Und auf eben diesen denkbar größten Gegensatz legt Galerie-Leiter HansPeter Miksch großen Wert. Ebenso, wie er diese Sommerausstellung als Fanal begreift: „Zum ersten Mal seit dem Jahr 2010 können wir nun eine siebte Ausstellung pro Jahr anbieten, und so soll es auch nächstes Jahr weitergehen", postuliert Miksch.

Mit der kunst galerie ist also quantitätsmäßig wieder verstärkt zu rechnen. Qualitätsmäßig sowieso.

„far far away — Reisebilder China“: kunst galerie fürth, Königsplatz 1. Öffnungszeiten und Führungen siehe „Fürther Kunststücke“ auf dieser Seite.

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