Asyl: Fürth legt dem Vizekanzler einen Wunschzettel vor

3.9.2015, 06:00 Uhr
Asyl: Fürth legt dem Vizekanzler einen Wunschzettel vor

© Meyer

Während am Samstag in Fürth rund 1500 Menschen gegen Fremdenhass auf die Straße gingen, nahm Reichert in Berlin an einem Empfang der Bundes-SPD für Mitglieder teil, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Kurz bestand dabei Gelegenheit zum Gespräch mit dem Vizekanzler.

Sie habe die Chance genutzt, ihm mitzuteilen, wo die Stadt Fürth Handlungsbedarf in der Flüchtlingspolitik sieht, sagt Reichert. Wie vor kurzem schon im ZDF-Morgenmagazin forderte sie ein Soziales Wohnungsbauprogramm. Wie geplant nur die Fördermittel für den Sozialen Wohnungsbau zu erhöhen, reiche nicht, sagt Reichert. Es müsse sich strukturell etwas ändern, es brauche Anreize für Bauherren: direkte Investitionszuschüsse für Wohnungsbaugesellschaften oder attraktive Steuerabschreibungsmodelle für private Investoren.

In vielen Städten ist bezahlbarer Wohnraum knapp – die Zahl der Menschen aber, die darauf angewiesen sind, wächst, weil die Schere zwischen Arm und Reich aufgeht. „Wir haben 1000 Vormerkungen von Fürthern, die eine Sozialwohnung suchen“, sagt Reichert. Der Flüchtlingsstrom verschärft das Problem: Wer als Asylberechtigter anerkannt wird, soll eigentlich aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen – viele aber bleiben dort jahrelang, weil sie keine günstige Wohnung finden. Mehrere Asylbewerber, die ihre Familien nachgeholt haben, leben zurzeit in der Obdachlosenunterkunft in der Oststraße.

In einer Pressemitteilung begrüßt die Stadtratsgruppe der Linken den Vorstoß der Referentin – allerdings wirft sie der Fürther SPD vor, es jedes Mal „als nicht machbar“ vom Tisch gewischt zu haben, wenn die Linke sich dafür einsetzte. Nun seien alle guten Bauflächen vergeben. Reichert weist die Kritik zurück: Die WBG schaffe gerade günstige Mietwohnungen in der Hardstraße, und auf dem Norma-Areal an der Würzburger Straße sollen ebenfalls Wohnungen für Menschen mit schmalem Geldbeutel entstehen. Man brauche aber die Hilfe des Bundes, um mehr tun zu können.

Als zweiten Punkt sprach Reichert die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge an. Deren Zahl ist stark gestiegen. Die Kommunen, prophezeit die Sozialreferentin, werden neue stationäre Einrichtungen bauen müssen, um ausreichend Platz zu haben für alle; schließlich werden die vorhandenen Einrichtungen ja auch weiterhin benötigt, um Kinder aus Familien zu nehmen, in denen sie gefährdet sind. Fürth werde neben dem Kinderheim St. Michael noch ein zweites Heim brauchen.

Helfer stoßen an Grenzen

Reichert appelliert an den Bund, den Kommunen diese Investitionskosten direkt zu erstatten, ähnlich wie beim Kita-Ausbau. Bisher sei es ein langwieriger Prozess, die Ausgaben refinanziert zu bekommen. Zudem müsse die Weiterverteilung der Jugendlichen im gesamten Bundesgebiet sofort ermöglicht werden. Bislang bleiben sie in dem Bundesland, in dem sie ankommen. Manche Länder sind damit mehr gefordert als andere.

Reichert ließ Sigmar Gabriel außerdem wissen, dass das Engagement der vielen freiwilligen Helfer an Grenzen stößt, solange Mittel für eine hauptamtliche Koordination fehlen. Und auch an anderer Stelle brauche es Geld vom Bund: Er soll zusätzliche Stellen finanzieren, die angesichts der hohen Flüchtlingszahlen etwa im Sozial- und Jugendamt nötig sind.

Ihre Wünsche ließ Reichert dem Vizekanzler auch per Mail noch einmal zukommen – samt eines Statements von Oberbürgermeister Thomas Jung. Dieser wirbt dafür, alle Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer festzulegen, „verbunden mit einem Abschiebeverfahren für den Personenkreis binnen einer Woche und dem Rechtsmittelweg nur aus dem Ausland“. Auch die Barauszahlungen für diesen Personenkreis seien kritisch zu hinterfragen. Hier sollte sich die SPD, rät der OB, „auf die Vorschläge der Union zubewegen“.

Die Stadt Fürth plant am 28. September ebenfalls einen Empfang für die rund 250 Menschen, die sich hier ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren.

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