Auf die Bäume, ihr Affen!

22.7.2016, 21:00 Uhr
Auf die Bäume, ihr Affen!

© Probenfoto: Hans Winckler

„Wer hat die Kokosnuss geklaut?“ ist vielleicht die falsche Frage. Aber ob der eine oder andere nicht doch eine sehr harte Nuss zu oft an die Birne bekommen hat — das wird und muss man fragen dürfen, egal welche „Tagesthemen“-Ausgabe gerade läuft. Ein geföhnter Herrenwitz will US-Präsident werden, ein selbsternannter Sultan knebelt die Türkei in den Abgrund, in Deutschland macht die AfD den Islam und Boateng zu Lieblingsfeinden. Brennender Mittlerer Osten. Attentate, Axttäter. Wie durchgeknallt ist das alles. Ja, wie?

Die Affen kommen, keine Nashörner. „Wir wollen“, sagt Regieassistent Dominik Neumann, „die Verrücktheit der Gesellschaft thematisieren, uns aber nicht allein auf Rechtsradikalismus beziehen wie Ionesco.“ 1959 brachte der rumänisch-französische Dramatiker eine verstörend bittere Abrechnung mit totalitären Systemen auf die Bühne; fortschreitend verwandeln sich die Personen einer fiktiven Gesellschaft in dämlich grunzende Herdentiere, in Mitläufer, Niedertrampler. Das Ensemble des Theater Jugend Clubs macht sich einen neuen Reim auf diesen Hit des Absurden Theaters — und wechselt darüber prompt den Käfig.

„Die Menschen“ sollte die Deutung der 13 jungen Fürtherinnen und Fürther zwischen 17 und 23 Jahren zunächst heißen; doch es gab verlagsrechtliche Probleme, weshalb die Fürther bei den „Nashörnern“ im Titel bleiben mussten — aber Affen statt Rhinozerosse, das haben sie sich nicht nehmen lassen. Und aus einem sehr langen Stück haben sie einen Siebzigminüter geschaffen, haben gestrafft, gehobelt, Neues hinzugefügt, mit einer zeitgemäßeren Sprache versehen.

Hellsichtiger Alkoholiker

„Es ist unser Stück geworden“, sagt Adrian Osel stolz. Und: „Es ist einfach saugeil.“ Osel, Schüler am Helene-Lange-Gymnasium mit glasklarem Berufswunsch Schauspieler, spielt den Protagonisten Behringer (bei der Premiere heute spielt ihn Niko Klinger), einen Alkoholiker und Philosophen, der sich lustlos durchs Leben schleppt, aber dennoch der einzige ist, der noch mitbekommt, dass es grauenvoll wäre, sich zum Affen zu machen wie alle anderen.

„,Die Nashörner’“, sagt die Regisseurin, „ist ein Werk, das sich an der Grenze zwischen Komik und bitterer Erkenntnis bewegt“. Theaterpädagogin Sue Rose, die im Vorjahr mit „Die Ente wird gefressen“ dem Ensemble einen weiteren von vielen großen Erfolgen bescherte, hat erstmals kein Stück von null auf entwickeln lassen, sondern eine Vorlage präsentiert. „Ich war“, bekennt Valentina Riedel, sie spielt den Workaholic Herr Schmetterling, „von Sues Wahl anfangs enttäuscht. Aber dann hat mich das Werk total begeistert“, Absurdes Theater biete „viel mehr Freiheiten“, jeder Mitwirkende habe seine höchstpersönliche Sicht auf den Dreiakter einfließen lassen können.

Wohin wankt die Welt, wenn auf ihr immer mehr hirnentkernte Affen herumtrampeln? Es wundert wenig, dass „Die Nashörner“ sich aktuell auf zig Spielplänen tummeln, zuletzt auch in der Fürther Kofferfabrik. Gegen Engstirnigkeit und Konformismus tritt nun der Theater Jugend Club an mit — das wird man ja wohl noch sagen dürfen — Akteuren aus Italien, der Türkei, Iran, Rumänien, Georgien, England und Deutschland. Riedel: „Wir sind Freunde geworden, Mobbing gibt es bei uns nicht. Es ist toll, hier mitwirken zu dürfen.“ „Affenstark“ wäre da vielleicht das richtige Wort.

„Die Nashörner“: Premiere heute (20 Uhr), Kulturforum (Würzburger Straße 2). Samstag und Sonntag (je 20 Uhr). Karten (9/4,50 Euro) im FN-Ticket-Point (Breitscheid-Straße 19, Tel. 2 16 27 77) und an der Abendkasse.

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