Aus der ahnungsvollen Tiefe des Seidla-Gemüts

6.6.2016, 11:30 Uhr
Aus der ahnungsvollen Tiefe des Seidla-Gemüts

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Xaver Bogenrieder ist tot. Der Mann war Wirt und Brauereibesitzer, folglich bleibt nun im wahrsten Wortsinn ein trauernder Kreis verwaister Schlucker zurück. Da gibt es nichts zu lachen, sollte man meinen. Doch spätestens wenn beim Leichenschmaus klar wird, dass der Verblichene nebst Witwe auch eine Freundin samt satter Versace-Rechnung und üppige Schulden hinterlässt, gerät der Nachruf ins Wanken und die Stimmung steigt — auf jeden Fall für die Zuschauer.

Joseph Maria Lutz, Autor des „Brandner Kaspar“ und Dichter der Bayernhymne, hat aus dem bierseligen Stoff 1937 ein pralles Lustspiel gemacht. Die Hans-Sachser von Langenzenn haben jetzt wieder einmal ihr Talent bewiesen, aus solch einer bewährten Vorlage für sich eine rundherum passgenaue Geschichte zu zimmern. Das ist eine Kunst, zu der noch etwas mehr gehört, als ein Stück einzustudieren und auf die Bühne zu bringen. Es ist vielmehr eine ganz besondere Art, sich mit einer Sache vertraut zu machen, bis jedes Detail bedacht und stimmig erscheint.

Jeder, der mehr als 40 Mitwirkenden, hat seinen Part, den Gabriele Küffner (Textbearbeitung und Regie) individuell ersonnen hat, offensichtlich verinnerlicht und folgt der stringenten Linienführung ihrer Inszenierung. So werden gleich zu Beginn Trauerzug und Leichenschmaus für den Toten mit dem fragwürdigen Leumund zu einem sehenswerten Ereignis, das vorbildlich und gewitzt den gesamten Raum nutzt. Die begeistert aufspielenden Laiendarsteller zaubern vom ersten Moment an Atmosphäre. Das gelingt nicht zuletzt, weil hier tatsächlich jeder als Original mit unnachahmlicher Persönlichkeit auftritt.

Reizvoller Schauplatz

Eine wesentliche Rolle in diesem Konzept spielt freilich auch der Spielort. Wieder einmal macht der Kulturhof — das Areal wurde 2012 als Bühnenraum eingeweiht — eine hervorragende Figur. Johanna Deffner (Bühnenbild) hat auf zwei luftigen Etagen eine Welt gebaut, deren wahres Geheimnis darin liegt, dass alles so ausschaut, als gehöre es seit ewigen Zeiten exakt hierhin.

Dabei birgt der in sanft schauerliches Blau getauchte Dachboden als Gruselstätte mehr absonderliche Finessen als sich auf den ersten Blick erfassen lassen und wird nur noch getoppt von einem Frisörsalon in absolut nicht dezentem Pink, der unvermutet aus der Tiefe des Raumes auftaucht. Christa Reimann (Kostüme und Requisite) hat diese Wirkungsstätten perfekt bestückt.

Ein gemütvoller Totengräber und ein Schäfer mit philosophischen Anwandlungen halten den ganzen Spaß zusammen. Klaus Roscher und Rudolf Kelchner sind die Protagonisten des Spuks. Eine Aufgabe, der sie mit ungebremster Leidenschaft nachkommen. Wenn Roscher seine Sentenzen aus dem unergründlichen Raum seines Seidla-Gemüts ablässt, dann ist der Mittelpunkt des Geisterbräus ausgemacht.

Lena Roscher (Wally) und André Goos (Braumeister) sind ein Paar, das der im Schwank unausweichlichen Beziehungsebene eine bemerkenswert differenzierte Gestalt gibt. Das ist sehr präsent gespielt und gut. Schön, dass es als Sidekick eine Dopplung gibt, die Daniela Reuter und Matthias Gründl auf die Bühne bringen.

Zum selbstredend guten Schluss hat die liebenswerte Posse, die nicht zuletzt ja auch eine Geburtstagssause für das 500 Jahre alte Bier-Reinheitsgebot ist, alle Fäden verknüpft. Auf die Zuschauer wartet beim Ausgang dann die süffige „Geisterbräu“-Variante. Extra gebraut für diesen Anlass als naturtrübes Kellerbier. Umfassender Spaß an jedem Detail, wie gesagt.

www.hans-sachs-spiele.de

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