Aus einem Veitsbronner Altenheim wird ein Flüchtlingsquartier

9.10.2015, 11:00 Uhr
Aus einem Veitsbronner Altenheim wird ein Flüchtlingsquartier

© Fotos: Beate Dietz

„Germany perfect“ sagt ein Iraker in holprigem Englisch. Doch so perfekt ist es an diesem Morgen in Veitsbronn noch nicht. Die ehemalige Seniorenwohnanlage ist für die Neuankömmlinge nicht komplett vorbereitet: Handwerker streichen die Wände, Möbelpacker schleppen Herde und Kühlschränke in die kleinen Appartements, die Betten müssen noch montiert werden. „Wir tun das, was wir am besten können, wir improvisieren“, sagt Claudia Kloska, eine der Helferinnen aus dem Team der insgesamt 200 Ehrenamtlichen, die sich in Veitsbronn bereit erklärt haben, mitanzupacken, wenn Asylsuchende in ihrer Heimatgemeinde stranden.

Zunächst werden die Zimmer verteilt. Nur ein Stockwerk in dem Gebäude kann derzeit genutzt werden. Maximal sollen in dem Haus, das aktuell als Dependance der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZAE) in Zirndorf geführt wird, 150 Personen unterkommen.

Schneller Griff zum Besen

Der momentane Platz könnte gerade so ausreichen, um die ersten 70 Flüchtlinge unterzubringen. Schnell kehrt eine Helferin noch Fliesenreste aus einem Raum, die die Handwerker hinterlassen haben, als sie die Sanitäranlagen reparierten. Inzwischen sitzen die Flüchtlinge auf Tüten, Taschen und Koffern, tippen in ihre Handys und kommen mit allerlei Anliegen zu Igor Ninic. Er ist eigentlich für die Jugendarbeit in Veitsbronn verantwortlich, doch jetzt koordiniert er das Team der Ehrenamtlichen.

Zunächst hat Ninic ein Poster angeheftet. In arabischer Schrift steht darauf „Willkommen in Veitsbronn“. Ob das auch wirklich stimmt, daran kommen schnell Zweifel auf, als zwei junge Männer vor dem Plakat leise zu diskutieren beginnen. Zumindest war es das Beste, was Ninic mit Hilfe des Internets ins Arabische übersetzen konnte und der gute Wille zählt, denn wie sagt ein Iraker: „People are all nice“ – die Leute sind alle nett.

Es ist nicht der erste Kontakt mit netten Deutschen für die Flüchtlinge aus den Krisenregionen dieser Welt. Zuvor waren sie in Zirndorf, danach im ehemaligen Möbelhaus Höffner in Fürth untergebracht. Sie sind also – entgegen ersten Auskünften – vermutlich bereits alle registriert und wurden medizinisch betreut. Ob das jetzt immer noch Fürth ist, will einer der Männer wissen.

Jetzt wird es kompliziert. Wie erklärt man auf Englisch, dass Veitsbronn im Landkreis Fürth liegt und eine selbstständige Gemeinde ist? Daran scheitert auch Bürgermeister Marco Kistner, der seine Termine in letzter Minute doch noch verlegen konnte und spontan in die Puschendorfer Straße eilt. Er ist froh, dass die Ehrenamtlichen tüchtig anpacken. „Ohne sie ginge gar nichts“, sagt er, denn eine kleine Kommune wie Veitsbronn habe keine Kapazitäten für die Betreuung der Menschen.

Kistner denkt auch über die Gegenwart hinaus, schließlich ist das alte Seniorenheim für zehn Jahre von der Regierung von Mittelfranken angemietet und künftig sollen dort Menschen leben, deren Aufenthaltsstatus in Deutschland geregelt ist, die also die Perspektive haben, länger zu bleiben. Dann wären die Kinder schulpflichtig, es müssten Kindergarten- oder Hortplätze geschaffen werden. Wird es dafür eine zusätzliche Förderung geben? „Irgendwie hängt alles in der Luft“, meint der Bürgermeister, der große Herausforderungen auf seine Gemeinde zukommen sieht.

Ankunft in Untermichelbach

Auch die Nachbarn in Obermichelbach werden sich ab heute mit dem Thema befassen müssen. Die ersten 100 Flüchtlinge werden im Ortsteil Untermichelbach erwartet und als Notunterkunft eine Gewerbehalle beziehen.

Für die meisten der gestern in Veitsbronn Gestrandeten wird das mit Sicherheit nicht die letzte Station sein. Das wird schnell klar, als ein Flüchtling erzählt, dass seine Frau in Hamburg sei und er nun in Veitsbronn. Am liebsten würde er weiterreisen. Und vielleicht wird er das auch demnächst tun, denn so sagt er: „My heart is sick“ – mein Herz schmerzt.

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