Ausstellung: Wehrhafte Poeten

19.8.2018, 10:00 Uhr
Ausstellung: Wehrhafte Poeten

© Foto: Rempe

Das Visier seines Helms fest verschlossen, den Schild in der Hand und das Schwert gegürtet – auf seinem Porträt hat Wolfram von Eschenbach absolut nichts von einem Dichter an sich. Eher gleicht der fränkische Autor des "Parzifal" seinem eigenen Helden und macht dabei eine ausgesprochen verwegene Figur. Seite an Seite mit Tannhäuser oder dem legendären Walther von der Vogelweide können die Poeten des Mittelalters derzeit im Historischen Museum am Pisendelplatz in aller Ruhe betrachtet werden.

Die Bilder, die einen beinahe intimen Blick in lange vergangene Zeiten möglich machen, sind bis ins feinste Detail von Marianne Voss nach den weltberühmten Originalen gearbeitet worden. Die sind im sogenannten Codex Manesse gesammelt worden, einer umfangreichen Liederhandschrift, die etwa um 1300 angelegt und bis 1340 vervollständigt wurde.

Schatz von Heidelberg

Das unersetzbare – und im wahrsten Wortsinn unbezahlbare – Dokument wird in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt und nur alle Jubeljahre einmal der Öffentlichkeit gezeigt. Ihren Namen bekam die weltberühmte Minnelieder-Sammlung übrigens nach ihrem Auftraggeber, dem Zürcher Patrizier Rüdiger Manesse.

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Marianne Voss aus Burghausen mit Akribie und Leidenschaft an den Kopien der Original-Codex-Bilder. Die 77-Jährige ist weltweit die Einzige, die dieser Aufgabe von Hand nachkommt. Knapp 50 – insgesamt gibt es 138 dieser Miniaturen – hat sie mittlerweile fertiggestellt, in Cadolzburg werden sie geordnet nach Themengruppen wie "Bei Hofe" oder "Minnesänger" vorgeführt. Für die faszinierend perfekte Reproduktion einer Seite benötigt die geduldige Künstlerin auf jeden Fall mehrere Tage, es können aber auch Wochen oder sogar Monate daraus werden – je nachdem, wie aufwändig die betreffende Abbildung vor mehr als 700 Jahren gestaltet wurde.

Als Malgrund nutzt Marianne Voss, die von Haus aus Medizinerin ist, Kalbspergament, das in etwa der Originalgröße entspricht. Mit viel Gefühl wählt sie passende Farbtöne und belegt die Werke mit Akzenten aus 24-karätigem Blattgold und mit Blattaluminium. Silber kommt bewusst nicht zum Einsatz, es würde sich im Kontakt mit der Luft relativ bald schwarz verfärben. Die Geduld und die Präzision, mit der die Künstlerin arbeitet, erschließt nun einen Blick in die Gedankenwelt des Mittelalters, der überraschende Frische und Lebendigkeit vermittelt.

Passendes Ambiente

Die Cadolzburg, die in unmittelbarer Nähe zum Museum im Pisendelhaus liegt, machte bereits zur Entstehungszeit der Originale eine gute Figur – die ältesten erhaltenen Bauteile der Anlage wurden ja um 1250 errichtet. Für Matthias Lange, Kulturamtsleiter des Marktes, passt die Präsentation des Faksimiles nicht zuletzt deshalb ausgezeichnet hierher. Lange erinnert daran, dass Besucher ein ermäßigtes Kombiticket (regulär 8,50 Euro, ermäßigt 6,50 Euro) erwerben können, das für die Visite von beiden Einrichtungen gültig ist.

HMC-Leiterin Nina Daebel freut sich, dass die aktuelle Schau auch einen wesentlichen Gedanken des Hauses aufgreift. Der Impuls, die Manesse-Miniaturen zu zeigen, kam nämlich von der Cadolzburgerin Claire Limpert. Sie ergriff die Initiative, stellte den Kontakt zu Marianne Voss her und half dann bei der Realisierung.

Dies sei ein gutes Beispiel für das Konzept des Historischen Museums der Gemeinde, bei dem sich die Bürger ganz aktiv einbringen können. Angesprochen fühlen soll sich jeder, der eine Idee für ein lokales Thema hat, das in das beispielhaft restaurierte Haus am Pisendelplatz 1 passt und der am besten auch Spaß daran hat, bei der Gestaltung der jeweiligen Schau mitzuwirken.

Trotz sommerlicher Hitze beginnen am Pisendelplatz übrigens schon erste Überlegungen für die nächste Sonder-Ausstellung, die sich mit dem Adventsmarkt beschäftigen wird, der in diesem Jahr sein 70. Jubiläum feiert.

ZDie Ausstellung "Minnesang und Schwerterklang" ist im normalen Eintritt für das HMC enthalten. Außerdem gibt es im Haus in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Calibri eine weitere Präsentation, die die "25 schönsten deutschen Bücher 2017" vorstellt. Das Museum hat geöffnet von Mittwoch bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr.

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