Bahnchaos, Tag drei in Fürth: Die Irritationen bleiben

9.12.2016, 20:02 Uhr
Bahnchaos, Tag drei in Fürth: Die Irritationen bleiben

© Birgit Heidingsfelder

Freitagnachmittag vor dem Bahnhofsgebäude: Taxifahrer Mehdi Kurat (62) erzählt gerade, wie gut Bahnpannen für sein Business sind, als ein Bus mit der Aufschrift „Schienenersatzverkehr“ auf der anderen Straßenseite hält. Dieser Bus, eine Facette des DB-Krisenmanagements, pendelt als Alternative für den lahmgelegten Zugverkehr stündlich zwischen den Hauptbahnhöfen von Fürth und Nürnberg. Er ist fast leer. Eine einzige Dame mit Hündchen hat Platz genommen. Warum sie nicht die U-Bahn nimmt? Der Kleine, sie deutet auf das Fellbündel zu ihren Füßen, „wird mir dort zertrampelt“.

Das Gedränge auf dem U-Bahnsteig muss zeitweise enorm sein. Die Fachoberschülerinnen Lara Kugler (18), Vicky Marx (17) und Sarah Hartmann (18) wissen von einer Mitschülerin, die früh vier heillos überfüllte U-Bahnen abwarten musste, ehe sie sich in die fünfte pressen konnte.

Die jungen Frauen besuchen die Montessori-Schule in Nürnberg und sind auf dem Rückweg nach Erlangen. Sie müssen sich gedulden. Der elektronischen Anzeigetafel zufolge, auf die sich die Blicke aller Pendler zurzeit sorgenvoller als sonst heften, kommen sie hier erst in einer dreiviertel Stunde weg. „Wir können’s nicht ändern“, seufzt Vicky Marx.

Ein Höchstmaß an Flexibilität aufbringen

Wie viele Bahnkunden müssen die Freundinnen zurzeit mal wieder ein Höchstmaß an Flexibilität aufbringen, wenn es gilt, Arzttermine kurzfristig zu stornieren oder Auto-Shuttles einzurichten, um doch noch pünktlich von A nach B zu gelangen. Dabei ärgern sie sich weniger über die technischen Probleme der Bahn als vielmehr über deren widersprüchliche Angaben. Sarah Hartmann ist aufgefallen, dass ein Zug fährt oder nicht, je nachdem, ob sie in der DB-App oder auf der DB-Homepage nachsieht. Die drei sind sich einig: 85 Euro im Monat – so viel kosten die Schülertickets, die sie als Zwölftklässlerinnen selbst bezahlen müssen, sind für so viel Ungewissheit zu viel.

Als die Freundinnen weg sind, um noch kurz etwas Warmes zu trinken, fährt plötzlich doch ein Zug nach Erlangen. Wer zufällig auf Bahnsteig 21 steht, steigt ein. Ein Bahnkunde eilt die Treppen hinauf, sieht aber nur noch Rücklichter. Was das soll, herrscht er einen Mann im Bahn-Outfit an. Auf der Anzeigetafel sei keine Rede von dieser Option gewesen. Und vom Bahn-Personal, das zuletzt aktuelle Informationen schon mal lauthals in die Menge rief, keine Spur. Der Angesprochene zuckt mit den Schultern. Auch er weiß nicht, was sein Arbeitgeber wann und wo bekanntgibt.

Auf dem gegenüberliegenden Gleis rollt unterdessen fast still ein Zug ein. Aufschrift: „S 1 Nürnberg Hauptbahnhof“. Der Fahrer steigt aus, anwesende Pendler blicken irritiert. Was macht der jetzt, fragen sie sich. Und wohin fährt dieser Zug? Es handelt sich um den Pendelverkehr, einen jener Züge, die „auf Sicht“ zwischen Nürnberg und Fürth unterwegs sind. Auch dies ein Service der Bahn zur Bewältigung der Krise. Nur nutzt ihn kaum jemand. Der Grund könnte sein, dass die Leute nichts von dem Angebot wissen. Wolfgang Gerlach aus Baiersdorf etwa hat nur im Kleingedruckten der DB-App davon gelesen.

Eines möchte der 49-Jährige aber lobend erwähnen. Und zwar, dass er tags zuvor die Strecke Bamberg-Erlangen mit seinem VGN-Ticket im ICE überbrücken durfte. „Immerhin.“

Mit Humor nimmt eine Gruppe Berliner Rentner, die für einen Kurzurlaub in Bamberg weilt und nun mit blinkenden Nikolausmützen auf dem Kopf vom Nürnberger Christkindlesmarkt zurückkehrt, die Unwägbarkeiten im mittelfränkischen Schienenverkehr. „Wir warten seit 15 Jahren auf unseren Flughafen“, witzeln sie, „da können wir doch ein paar Minuten in Fürth auf den Zug warten.“ Am Samstag soll das Chaos ein Ende haben, für den Nachmittag kündigt die Bahn den regulären Betrieb an.

Keine Kommentare