Bebende Gullydeckel: Dullnraamer in Topform

5.2.2018, 15:30 Uhr
Bebende Gullydeckel: Dullnraamer in Topform

© Foto: Edgar Pfrogner

Die Ratte, schrieb Alfred Brehm einst in seinem Tierlexikon, sei "ausgerüstet mit allen Begabungen in leiblicher und geistiger Hinsicht". Ein feines Kompliment, das sich die Dullnraamer-Ratzen getrost umhängen können. Der alte Tierkenner schwafelte dann allerdings davon, dass die Kanalbewohner ihre vorzüglichen Eigenschaften nutzen würden, um die Menschen "zu quälen, zu plagen, zu peinigen". Das wiederum käme der großen Dullnraamer-Familie nie in den Sinn. Man hat hier ganz was anderes vor und befördert lieber tapfer ans Tageslicht, was unter den Gullys schmort.

Ob das stinkt? Selbstverständlich. Und manches müffelt schon seit der ersten Sidzung anno 1994. Das sorgt nicht nur für Stoßseufzer bei Texterin und Regisseurin Ute Weiherer ("Seit 25 Jahren warne ich vor Markus Söder. . ."), sondern auch für deutliche Wiedererkennungseffekte.

Was nicht an den Dullnraamern liegt, sondern an dem furchterregenden Drang der Geschichte, sich zu wiederholen. Ein Effekt übrigens, der beim Publikum für einen Wimpernschlag erschreckter Atemlosigkeit sorgt, als Uwe Weiherer plötzlich als Abbild eines Unsäglichen auftaucht.

Ein Aha-Moment von mehreren, die die sagenhaft motivierte Truppe als Erfolg verbuchen darf. Denn was kann politisches Kabarett mehr erreichen, als die dunklen Ecken möglichst grell auszuleuchten – damit später keiner jemals behaupten kann, er habe ja nicht geahnt, was sich zusammenbraut? Das Spektrum der Themen und Brennpunkte ist auch in der 2018er Ausgabe verflixt weit und topaktuell. Vorlagen werden wahrlich genug geboten. Seien es nun die Permanentsondierer, die Volkes Wahlwunsch nicht fassen können. Oder eine wachsende Angst, die als Sketch-Eröffnung so klingt: "Die Demokratie macht mir Sorgen." Auf der Bühne vorgetragen von einem gemütlichen Sofa aus, Fernbedienung in der Hand. Auch das ein vielsagendes Bild.

Nicht bunt und nicht die Bohne so beschwingt wie "La La Land", präsentiert sich eben "Gau Gau Land". Und der Walzer schmiert ab, wenn die Bäume im Prater "wieder einmal rostbraun" blühn. Sehr still bleibt es dagegen in Sachen Fürth. Lokales rückt diesmal nicht weiter in den Fokus. Schade.

Dafür schafft es die akute Smartphoneritis erneut ins Programm, und Rike Frohberger macht aus Alice Mertons "No roots" die großartige Hymne aller Sozial-Media-Poser: "Ich steh’ im Weg rum und gaff – Für tausend Likes über Leichen gehen."

Apropos Musik: Die bewährte Band mit Udo Seidel (Keyboard), Peter Mayhew (Gitarre), Jochen Sorg (Bass) und Phillip Renz (Schlagzeug) spielt seit 12 Jahren bei den Dullnraamern auf. Für die insgesamt 21 Ensemblemitglieder die perfekte Grundlage für Tanz- und Songnummern. Die Zuschauer tun sich bei der Premiere allerdings zunächst eine Spur schwerer, den Groove aufzunehmen. Da ist auch das Versprechen "Ihr müsst nicht schunkeln" wenig hilfreich; ausgelassenes Mitschwingen sieht anders aus.

Auf jeden Fall muss sich dieses Spektakel nicht den Vorwurf gefallen lassen, auch nur im Entferntesten etwas mit gebräuchlichen Faschingsritualen am Hut zu haben. Will ja auch keiner. Fragt sich eigentlich nur, warum die "Mützendeppen" dann trotzdem noch immer eine lächerliche Rolle spielen müssen? Gehört dieser Part nicht irgendwann mal auf den Müll der Dullnraamer-Geschichte? Schließlich wird hier seit 25 Jahren eine beispiellose, komplett eigenständige politisch-kabarettistische Sitzung gemacht. Darauf ein respektvolles "Gully Gully."

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