Berührungsängste hinterfragt

7.12.2014, 18:00 Uhr
Berührungsängste hinterfragt

© privat

„Noli me tangere“ heißt die Ausstellung. „Ich will nicht, dass du mich berührst“, heißt das wörtlich; man könnte auch freier übersetzen: „Fass mich nicht an!“ Das titelgebende Bild zeigt eine Männerhand, die sich dem skeptisch-aggressiven Gesicht des Künstlers nähert. Wir dürfen spekulieren: Schwule Anmache? Staatlicher Zugriff? Spionage und Datenklau? Auf jeden Fall ein Eingriff in die Intimsphäre.

„Noli me tangere“, soll der auferstandene Jesus zu Maria Magdalena im Garten gesagt haben. Diese Szene avancierte in der Renaissance zu einem populären Motiv, vereinigte sie doch Landschaft und Mensch, irdische und himmlische Sphäre, Begehren und Abwehr. André Debus betreibt keine religiöse Malerei, dafür tangiert er unbekümmert sämtliche malerischen Epochen, greift Vorbilder auf und adelt sie mit seiner Präsenz. Etwa mit einem Gottesurteil aus der Cranach-Werkstatt: Debus legt seine Hand in den „Mund der Wahrheit“, ein Löwenmaul, während sieben Zeugen mit Debus’ Physiognomie der Szene beiwohnen. Höchst ausgelassen tanzt Debus als Linolschnitt mit einem Knochenmann durch die Lüfte, hier standen Michael Wolgemut mit seinem „Totentanz“ und Dürer mit der Apokalypse Paten. Und frei nach Boschs „Narrenschiff“ navigiert Debus in siebenfacher Ausführung als Mönch durch eine endlose grüne Brühe, wobei das Schiff nicht plastisch, sondern nur als Vorzeichnung sichtbar ist.

In seinen Ölgemälden lotet Debus Nocturnes und Lichtstimmungen aus. Wo einst einsame Menschen mit einer Kerze hantierten, da hockt nun der Mensch der Gegenwart im bläulichen Laptop-Schimmer. Hier endlich knüpft Debus mit seinem Traditionsbewusstsein an die Befindlichkeit der Gegenwart an.

 

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