Blondine kontra Kriegsreporter

4.12.2010, 12:44 Uhr
Blondine kontra Kriegsreporter

Amsterdam, 2. November 2004, Linnaeusstraat, 8.45 Uhr: Vom Fahrrad aus streckt der Attentäter, ein 26-jähriger Radikalislamist marokkanischer Abstammung, Theo van Gogh mit mehreren Schüssen nieder; als der schon am Boden liegt, durchschneidet er ihm die Kehle, heftet ein Bekennerschreiben an den Körper des Sterbenden. Der Mord an dem Filmemacher, Satiriker und freiheitsliebenden Polarisierer hat sich tief ins kollektive niederländische Bewusstsein eingegraben und ist ein nationales, bis heute kaum überwundenes Trauma. Van Gogh, dessen Urgroßvater der Bruder des Malers war, wurde 47 Jahre alt, sein Tod entfachte weltweit Diskussionen über den Religionsstreit.

Mit spitzester Feder ging das Enfant Terrible dorthin, wo es weh tat. Die unrühmliche Rolle der niederländischen Blauhelme beim Massaker von Srebrenica etwa, sie wurde zum Thema in van Goghs vorletztem Film. „Das Interview“, in Theodor Holmans Bühnenfassung 2007 in Zürich uraufgeführt, ist aktuell ein Renner an einem Dutzend deutschsprachiger Bühnen. Ab diesem Samstag mischt auch das Stadttheater Fürth mit.

Als ein „sehr illusionsarmes und realitätsnahes, raffiniertes Kammerspiel in der Tradition von ,Wer hat Angst vor Virginia Woolf‘?“ lobt Regisseur Werner Müller das Zwei-Personen-Stück. Pierre Peters, Politikredakteur einer Tageszeitung und ehemaliger Kriegsberichterstatter mit hehrem Berufsethos, bekommt einen Interview-Termin mit Katja Stuurman aufgebrummt — ein blonder Fernsehstar mit landesweit bewunderter Oberweite und nichts als Stroh im Kopf. Denkt Pierre. Woran dächte man hierzulande? Scholl-Latour trifft Ferres, Brebeck trifft Pooth. Um Himmels Willen.

Doch die Begegnung mit den „zwei Titten, die keinen geraden Satz herausbringen“ (Pierre), wird zu einem unerwartet rasanten Spiel über Wahrheit und Lüge, Nähe und Anziehungskraft. Anspruch und Hybris von Medienmachern seziert van Gogh ebenso penibel wie Fragen nach Wahrheit und Aufrichtigkeit in einer durch und durch medialisierten Welt.

Beide Schauspieler stellen sich erstmals dem Fürther Publikum vor. Esther Kuhn, die aus Salzburg stammt, war in Regensburg, am Bayerischen Staatsschauspiel und am Akademietheater München zu sehen, Herbert Schäfer, der wie Kuhn auch für Kino und Fernsehen arbeitet, unter anderem an den Münchner Kammerspielen und am Düsseldorfer Schauspielhaus im Einsatz.

„Das Interview“: Premiere heute, 4. Dezember, 20 Uhr, Kulturforum (Würzburger Straße 2), Restkarten zu 20 Euro. Weitere Termine: 9./11. Dezember, 13.—15. und 20./21. Januar. Tickets (16 Euro) unter Tel. 9742400.