Cadolzburg: Tagesbetreuung als Alternative zum Heim

CADOLZBURG - Seit fast einem Jahr kümmern sich die Cadolzburger Betreuungsstuben in der Nürnberger Straße tagsüber um Senioren, die ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen können. Tagespflege ist in Bayern selten, im Landkreis ist sie nur innerhalb von Heimen zu finden.

Rhythmische Musik dringt durch die Tür nach draußen. Drinnen tanzt, wippt und bewegt sich eine Gruppe von Menschen vergnügt im Takt der Lieder. Es sind bekannte Schlager aus den 50er und 60er Jahren und viele singen den Text mit.

Die Sänger und Tänzer sind alle jenseits der 70, zwei von ihnen weit über 90 Jahre alt. Viele sind erstaunlich fit und strecken und recken die Arme, schwingen die Hüften und klatschen in die Hände. Bei den meisten ist auch nicht ihr Körper der Grund, weshalb sie hier sind: Alzheimer, Demenz und Altersverwirrtheit machen es unmöglich, dass sie sich alleine versorgen können.

„In ein stationäres Pflegeheim müssen sie deshalb aber auch nicht gleich“, meint die gerontopsychiatrische Pflegerin Gabi Berthold, die vor fünf Jahren die Betreuungsstuben in Cadolzburg eröffnet hat. Bis zu 20 Gäste aus dem gesamten Landkreis und aus Fürth werden hier werktags zwischen 8 und 16.15 Uhr von vier Fachkräften betreut.

Die meisten holt der Fahrdienst der Betreuungsstuben morgens ab und bringt sie am späten Nachmittag wieder nach Hause. „Jeder sollte sein Leben so lange wie möglich in seiner gewohnten Umgebung verbringen können. Damit die Angehörigen tagsüber entlastet sind, ist eine Tagespflege ideal. Leider gibt es das, wie bei uns, bisher nur selten in Bayern“, erzählt Berthold, die selbst lange Jahre in Pflegeheimen gearbeitet hat.

„Dann kam der Burnout, ich war am Ende und wusste, so kann und will ich nicht mehr weiterarbeiten. Aber ich liebe meinen Beruf und überlegte, was müsste geschehen, damit es den alten Menschen und auch den Pflegekräften besser geht?“ Da hatte sie die Idee der Betreuungsstube. Vor rund einem Jahr zog sie mit der Einrichtung in größere Räumlichkeiten in der Nürnberger Straße um. Die direkte Nachbarschaft zu einer Physiotherapeutischen Praxis macht es möglich, dass Physio- und Ergotherapie im Haus stattfinden, außerdem kommen regelmäßig Fußpfleger und Frisör vorbei und verwöhnen die Gäste.

Hoher Verwaltungsaufwand

Neben den pflegerischen Aufgaben ist vor allem der Verwaltungsaufwand einer solchen Einrichtung enorm hoch, „den konnte ich nicht mehr alleine bewältigen, ich will mich doch um meine Leute kümmern und für sie da sein“, erklärt Berthold. Seit dem Umzug kümmert sich deshalb Philipp Ebert als geschäftsführender Inhaber um die Verwaltung.

Gabi Bertholds Einsatz geht weit über die Betreuungsstuben hinaus: Sie berät die Familien bei den Formalitäten, macht Hausbesuche und steht mit Rat und Tat zur Seite. „Mir ist ein gutes Verhältnis zu den Angehörigen wichtig.“

Wer jetzt denkt, dass sich nur wenige diesen Luxus leisten können, wird darüber erstaunt sein, dass die Cadolzburger Betreuungsstuben zu den kostengünstigsten Tagespflegeeinrichtungen im Landkreis gehören.

„Bei uns gibt es kein teures Seniorenmobiliar oder schicke Rezeptionen. Wir wollen kein Hightech-Aufbewahrungsbunker, sondern für die Menschen da sein.“ In der Einrichtung bemüht man sich vielmehr, auf die individuelle Persönlichkeit der Menschen einzugehen. Schicki-Micki und teures Spezial-Seniorenessen, sagt die Leiterin, brauche es da nicht. Es wird jeden Tag frisch gekocht und wer von den Besuchern kann und will, hilft dabei mit.

Tatsächlich zieht köstlicher Essensduft durch die Räume: In der Küche schnippelt eine alte Dame fachgerecht Zwiebeln in kleinste Würfel, drei weitere formen die Klöße für das Mittagessen, dazu gibt es Geschnetzeltes und Soße. „Und am Nachmittag essen wir die Plätzchen, die wir gerade backen“, meint Pflegerin Brigitte, die gerade ein Tablett mit Butterzeug in den Ofen schiebt.

Geschäftsführer Ebert fasst die Wohlfühl-Atmosphäre knapp zusammen: „Familiär und von Herzen“. Damit es keine Wartelisten für weitere Betreuungsplätze geben muss, ist die nächste Expansion bereits in Planung: Heuer soll ein zweites Haus eröffnet werden. „Die Pläne sind fertig in der Schublade, jetzt geht es nur noch um die Finanzierung.“

www.betreuungsstuben.de