Chorleiter Schwarz verabschiedet sich in Stadeln

16.4.2015, 12:00 Uhr
Chorleiter Schwarz verabschiedet sich in Stadeln

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Im Musikleben der Stadt war Schwarz (79) seit den sechziger Jahren aktiv. Der am Nürnberger Konservatorium ausgebildete Konzert- und Oratoriensänger — im Brotberuf Sozialversicherungskaufmann — lehrte Gesang an der Volkshochschule, gründete das „Fürther Opernstudio“ und leitete unter anderem die Liedertafel Langenzenn. 1992 wurde er Chef der Reihe „Fürther Chorkonzerte“, bald darauf Erster Kreis-Chorleiter des Sängerkreises Fürth im Fränkischen Sängerbund. Die Stadelner Konzerte gerieten unter seiner Leitung zu Höhepunkten der Fürther Laien-Chormusik, 20 Mal gastierte er zudem mit dem Ensemble im stets ausverkauften Stadttheater. Mit den FN zieht er im folgenden Gespräch Bilanz.

 

Wenn Sie zurückblicken, was war das Wichtigste, das Sie Ihren Sängern mit auf den Weg gegeben haben?

Schwarz: Sich mit Leidenschaft der Musik zu widmen! Nicht erst zu fragen: Was kriegen wir? Sondern: Was kann ich bringen? Vor 30 Jahren haben sich in Stadeln die Sänger noch gegenseitig angesungen. Heute kommt Publikum, das nicht vom Fach ist. Das halte ich mir durchaus zugute.

 

Was unterscheidet einen guten Chor von einem sehr guten?

Schwarz: Wenn ich nur die Leistung als Maßstab nehme, dann wird der sehr gute Chor den Sopran, der kein hohes A singen kann, aus seinen Reihen ausschließen. Der gute Chor lässt den Sopran mitsingen. Übergeschnappt gewesen sind wir nie, das Menschliche stand für mich immer im Vordergrund. Wir wollten immer Musik machen, die uns gefällt, die dem Publikum gefällt und die die Fachleute akzeptieren. Wenn ich aber nur Niveau habe und keine Wirkung, ist das alles nichts. Niveau und Wirkung müssen gleichberechtigt nebeneinander stehen. Und die Herrschaften, die das eine oder andere nicht schaffen, danken es Ihnen mit Leidenschaft.

 

Der Gesangverein Stadeln ist ein Chor mit Tradition. Wie geht es weiter ohne Sie?

Schwarz: Ich hoffe natürlich, dass es weitergeht. Aber ich werde mich auf keinen Fall in die Suche nach meinem Nachfolger einmischen oder Ratschläge geben. Ich weiß doch selber, wie mich das als junger Chorleiter genervt hätte. Die Stadelner sind unter meiner Leitung auch ins Opern- und Operettenfach gegangen, woraufhin man mich im Sängerbund abwertend als Operettendirigent bezeichnete. Heute ist das vollkommen üblich, denn ohne Knüller im Programm kriegen Sie die Leute nicht.

 

Das klang jetzt fast nach einem Ratschlag für Ihren Nachfolger.

Schwarz: Nein, ich werde keinerlei Ratschläge erteilen, wie gesagt.

 

Wofür werden Sie nach dem letzten Stadelner Konzert endlich mal so richtig Zeit haben?

Schwarz: Ich bleibe ja Leiter der Fürther Chorkonzerte und Fürther Gruppenchorleiter. Zu langweilig wird’s mir also nicht. Ich will aber unbedingt als Conférencier und Klavierbegleiter noch etwas machen. Nichts Großes mehr, aber ganz brechen mit der Musik kann ich nicht.

 

Was war in all den Jahren eigentlich schlimmer für Ihr Nervenkostüm: die Arbeit mit Profis oder mit Laien?

Schwarz: Mit Profis. Dort spüren Sie manchmal Widerstände, die ich bei den Laien überhaupt nicht spüre. Mein erster Auftritt als Sänger war 1953, ich habe stets geschwiegen, wenn ich anderer Meinung war als der Dirigent. Man muss immer wissen, wann man die Nummer Eins ist und wann nicht. Das hat nichts mit Unterordnen zu tun, aber mit Einordnen.

 

Was gehört zum Handwerkszeug eines guten Chordirigenten?

Schwarz: In erster Linie Vorbereitung. Wissen um die Schwierigkeiten des Stückes. Die Fähigkeit, zu sehen, ob die Stimmen mehrheitlich in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen.

 

Ein Konzert, das Ihnen unvergesslich geblieben ist?

Schwarz: Das Weihnachtskonzert 2014 war sehr ergreifend, da schon viele Leute wussten, dass ich gehen würde. Das hat mich ungeheuer mitgenommen. Und der Applaus der Leute, wenn man nach den Konzerten aus dem Stadttheater kam. Klar, ich war und bin ein eitler Hund! Ich will Erfolg haben, Misserfolg ärgert mich.

Gab es Werke, die Sie in Stadeln gern einmal aufgeführt hätten, die aber letztlich zu schwierig waren?

Schwarz: Ja, das Brahms-Requiem hätte ich furchtbar gern hier gemacht, das gibt es auch in einer Fassung mit Klavier. Aber es ist einfach einen Tick zu schwer, vor allem für die Soprane. Brahms liegt mir besonders am Herzen, ich habe selber alle Zyklen gesungen. Doch es geht einfach nicht mehr.

 

Wie alle Chöre, so sucht vermutlich auch der Gesangverein Stadeln händeringend Nachwuchs. Können Sie einem jungen Menschen erklären, was am Singen in einem Chor cool ist?

Schwarz: Stadeln gehört zu den Vereinen, die bisher vergleichsweise wenig Nachwuchssorgen hatten. Für den Chorgesang, wie ich ihn mir vorstelle, wird an den Schulen zu wenig getan, in den Lehrplänen ist ja praktisch nix mehr drin. Wie wollen Sie unter solchen Umständen einem jungen Menschen die wunderbare Kultur des Madrigalgesangs und des Volksliedes nahebringen? Das Volkslied wird immer falsch verstanden als volkstümelnde Sentimentalität, und seit all den dämlichen Ludwig-Thoma-Filmen sind Männerchöre sowieso völlig diskreditiert. Was sollen Junge daran cool finden? Hinzu kommen die Casting-Shows, die die Kunst des konventionellen Singens ins Abseits drängen.

 

Aber dort wird doch immerhin gesungen. . .

Schwarz: Mit dem Mikro, ja. Die Technik stellt die Dinge allerdings völlig auf den Kopf. Tritt zum Beispiel irgendwo ein Gospelchor auf, dann sehen Sie überall Leitungen herumliegen. Weil alle nur mit Verstärkung singen. Dann schmettern die mit dreifacher Lautstärke, und das ist natürlich verführerisch für junge Leute, aber nicht das, was ich unter Chorgesang verstehe. Ich sag’ immer: Wo die Not am größten, ist der Strom am nächsten.

 

Aber auf A-cappella-Gruppen wie Viva Voce fahren viele junge Leute ab. Lassen Sie so etwas gelten?

Schwarz: Viva Voce? Wunderbar! Es darf nur nicht zu sehr in die Schlagerecke abgleiten.

 

Mal ehrlich, sind Sie ein Schwieriger?

Schwarz: Nach Meinung meiner Frau (die Sängerin und Gesangspädagogin Uta Schwarz-Meixner, FN) bin ich Choleriker. Ja, ich kann böse werden bei Proben. Aber ich bin auch schnell wieder gut zu allen. Wissen Sie, ich habe in Stadeln sogar Auftritte üben lassen. Es kann unglaublich vertrottelt ausschauen, wenn ein Chor in den Saal einzieht und das nicht geprobt hat. Auch das optische Bild muss passen. Es ist absolut fürchterlich, wenn Choristinnen in Sandalen ohne Strümpfe den Takt klopfen oder gleich im Minirock erscheinen. Das geht bei mir gar nicht.

 

Im Juli naht Ihr 80. Geburtstag, ein Alter, in dem nicht wenige Mitmenschen letzte Dinge regeln. . .

Schwarz: . . .und in dem man weiß, wie viele unnötige Auseinandersetzungen man im Leben geführt hat.

 

Wenn Sie es sich aussuchen könnten: Was soll das letzte Lied sein, das Sie hören möchten?

Schwarz: Da hätte ich einen Favoriten: Franz Schuberts „An die Musik“.

„Musik bleibt Trumpf“: Werke von Pachelbel, Mozart, Bellini u.a., Gesangverein Stadeln, Solisten: Christine Ganslmayer (Sopran), Christopher Riedmüller (Bass), Oliver Riedmüller (Saxofon), Jürgen Klatte (Orgel, Klavier), Alfred Wehner (Kontrabass). Heilige Dreifaltigkeit (Fritz-Erler-Straße 25), Samstag, 19 Uhr. Eintritt frei.

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