„Da guck’ ich dann, denke und rede mit meinem Herrgott“

25.6.2016, 16:00 Uhr
„Da guck’ ich dann, denke und rede mit meinem Herrgott“

© Fotos: Winckler

Der Rückruf kommt aus dem französischen Arles. „Hören Sie doch mal hin“, ruft André Hermany vergnügt ins Telefon. Es folgt ein zartes Pling als akustischer Beweis dafür, wie schön das Leben sein kann – beim Pilgern, unter der Sonne, beim Anstoßen mit einem Gläschen Ricard . . . Pling! Zurück in Cadolzburg, webt der Pfarrer seine Reiseerlebnisse direkt in den Sonntagsgottesdienst ein. Seine Schilderung wirkt, als spreche er mit guten Freunden. Spontan, salopp. Die Menschen im gut besuchten Gotteshaus von St. Otto hören zum Beispiel von Edith, der Reiseleiterin, die aus der Kirche ausgetreten ist. Er habe ihr zum Abschied erklärt, ruft Hermany verschmitzt in den Kirchenraum, sie sei eine der sympathischsten Atheistinnen, die er kenne.

Vereinzelte Lacher aus den Kirchenbänken zeigen: Die Menschen mögen diesen lockeren Ton, aus dem das Freche blinzelt wie ein Teufelchen. Wäre er hier, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick würde bei diesem Maß an Toleranz womöglich zusammenzucken. Tatsächlich hat sich der Bischof sein Enfant terrible aus dem Fürther Landkreis immer wieder mal zur Brust genommen. „Aber wir verstehen uns“, meint Hermany und fügt, augenzwinkernd und mit wegwerfender Handbewegung, hinzu: „Wahrscheinlich denkt er manchmal, ach, der Hermany wieder . . .“

Ja, der Hermany. Er schaltete in den FN schon mal eine Todesanzeige für Jesus von Nazareth, um auf den Karfreitagsgottesdienst aufmerksam zu machen. Mit Erfolg: Seine Kirche war proppenvoll. Ein andermal weigerte er sich zusammen mit anderen Geistlichen, ein Schreiben der katholischen Kirche an Ausgetretene zu unterzeichnen. Der „unbarmherzige Brief“ klärte die Adressaten Punkt für Punkt über die Folgen ihres Handelns auf, vom ab sofort gestrichenen Empfang der Sakramente bis zur Verweigerung eines kirchlichen Begräbnisses. Eine unverhohlene Drohung sei das, kritisierten die Aufmüpfigen, so erreiche man die Menschen doch nicht. Sie setzten sich durch, die deutschen Bischöfe zogen den Brief zurück.

André Hermany kam am 11. November 1956 in der Nähe von Heidelberg zur Welt. Er war das Nesthäkchen in der Familie, der kleine Bruder von „zwei lieben älteren Schwestern“, die übrigens, wie er erwähnt, die Kirche verlassen haben, die er aber auch nicht bekehren will. „Das ist deren Leben.“ Er lernte den Beruf des Hotelfachmanns, den er drei Jahre ausübte. Dann beschloss er, sein Abitur nachzuholen – und zwar beim Karmeliterorden am Bamberger Theresianum.

Hermany studierte Theologie, wurde Diakon in St. Michael/Nürnberg und in Bamberg. Als Kaplan kehrte er nach Nürnberg zurück, war dann ein Jahr Pfarradministrator in St. Elisabeth, ehe er 1993 zum Priester geweiht und als Pfarrer nach St. Heinrich/ Fürth gerufen wurde. 1998 wechselte er ins Pfarramt von St. Otto/Cadolzburg. Von dort aus betreut er schon seit Jahren auch die Gemeinden von Langenzenn, Wilhermsdorf und Markt Erlbach. Seit 2011 steht Hermany an der Spitze des Fürther Dekanats mit rund 55 000 Katholiken.

Pragmatische Entscheidung

Wie aber kommt es, dass einer, der sich als Jugendlicher fünf Jahre lang vom Religionsunterricht verabschiedet hat, ausgerechnet an einer Klosterschule sein Abitur nachholt? „Die Idee hatte meine Mutter“, sagt Hermany. Es sei eine pragmatische Entscheidung gewesen, die mit seinem Alter zusammenhing (er war schon über 20) und damit, dass er bei den Karmelitern Bafög bekam. An ein echtes Erweckungsmoment erinnert sich Hermany nicht. Irgendwann in seiner Bamberger Zeit aber hat er zum Glauben gefunden — und er hat sich verändert. Zuvor ein eher stiller Junge, „ein richtiges Mauerblümchen“, war er mit einem Mal Seminar- und Schülersprecher. Spätestens von da an fand er Worte für sich und für andere.

„Da guck’ ich dann, denke und rede mit meinem Herrgott“

© Fotos: Winckler

Inzwischen fühlt sich Hermany „im Kirchenumfeld wie in einem Plantschbecken“. Dieses Aufgehobensein schreibt er Freunden und Mitarbeitern ebenso zu wie Kirchenräumen, „die guttun“. Manchmal, erzählt er, stehe er abends in der sonst leeren Kirche. „Da guck’ ich dann, denke und rede mit meinem Herrgott.“ Und wenn ihn Sorgen plagen, Ängste, Leid und Trauer, dann weiß er sich eben doch immer, wie der evangelische Theologe und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer in der Gestapo-Haft vor seiner Hinrichtung schrieb, „von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Ein Herzensanliegen ist Hermany in diesen Zeiten ein „menschenfreundlicher“ Umgang mit Flüchtlingen. Unbürokratisch schuf er vor zwei Jahren im Pfarrzentrum Platz für junge unbegleitete Flüchtlinge — und setzte so ein Zeichen der Barmherzigkeit. „Die Kirche“, findet er, „sollte immer wach bleiben und das Leben wahrnehmen.“ Dass sie die Menschen stattdessen mit Missbrauchsskandalen und lebensfremden Regularien vertreibt – an den gut besuchten Gottesdiensten in St. Otto zumindest lässt sich das nicht ablesen.

Das Fest zum Priesterjubiläum beginnt am Sonntag um 10.30 Uhr mit einem Gottesdienst, bei dem in St. Otto auch der Kirchenchor der Pfarrei Unsere Liebe Frau (Fürth) singt. Es folgen ein Sektempfang und ein Pfarrgartenfest mit Kinderprogramm.

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