Dank Blu-Rays und Pornos: Fürths letzte Videothek lebt

29.3.2017, 11:00 Uhr
Dank Blu-Rays und Pornos: Fürths letzte Videothek lebt

© Foto: Hans Winckler

Harald Krammer ist am liebsten da, wo er sich auskennt. Und in der Videothek an der Schwabacher Straße 99 kennt er sich aus. Schließlich ist der Filmfan dort schon seit über 20 Jahren anzutreffen. Damals, 1992, als er sich von der Aushilfe zum Geschäftsführer hochgearbeitet hatte, war das Business noch lukrativ. An fast jeder Straßenecke fand sich eine Videothek, wie heute Sonnen- oder Nagelstudios.

Inzwischen ist die Konkurrenz durch das Internet übermächtig geworden. Wo die Videothek früher Mainstream war, ist sie heute Nische für Liebhaber und Nostalgiker. Vor eineinhalb Jahren gab der damalige Inhaber Deutscher Video Ring schließlich auch die letzte Filiale in der Schwabacher Straße auf. Der gelernte Schlosser überlegte nicht lange und übernahm den Laden auch als Inhaber. Für ihn war klar, dass er nicht mehr in seinem alten Beruf arbeiten will. "Ich bin der letzte Mohikaner. Es macht mir noch sehr viel Spaß. Reich wird man davon allerdings nimmer."

Geballtes Filmwissen

Zirka 8000 Mitglieder zählt der Computer derzeit, davon sind laut Krammer höchstens die Hälfte aktiv. "Manche kommen einmal im Jahr, andere viermal pro Woche." Das Allerwichtigste seien die Stammkunden, "die halten den Laden am Laufen". Und die wiederum schätzen Krammers geballtes Filmwissen, die persönliche Beratung und die liebevolle Auswahl der Filme.

Lehrer Manfred Moldan ist einer dieser Stammkunden. "Jeder Filmfreak kommt gern hierher", sagt der 56-Jährige. "Hoffentlich gibt es diesen Laden noch lange. Mir würde sonst echt was fehlen. Er ist für mich ein Ausgleich und so eine Art dritte Station in meinem Leben, neben Schule und Zuhause." Der Langenzenner schaut zwei- bis viermal die Woche vorbei, meist wegen der Neuheiten und der Blu-Rays. "Die gibt’s nämlich nur hier." Am Ausleihprozess in der Videothek schätzt er vor allem das Händische. "Ich kann den Film mitnehmen, einlegen und gut ist."

"Der typische Franke ist Normalsexgucker"

Doch nicht nur von den Stammkunden, die bei den 7000 herkömmlichen DVDs und Blu-Rays fündig werden, lebt Krammer. Es gibt ja da noch das "Porno-Eck" im hinteren Teil des 350-Quadratmeter-Ladens. Hier warten zirka 1000 Hardcore-Filme auf willige Kunden. Das Angebot befriedigt sämtliche Vorlieben, von Blümchensex bis hin zu Lack und Leder.

"Aber der typische Franke ist Normalsexgucker, also bloß nicht zu akrobatisch oder verschwurbelt. Auch nicht zu extrem", so Krammer. Zurzeit gehe der Trend weg von amerikanischen hin zu deutschen Produktionen. Der 53-Jährige hofft, dass "echte Erotik" bald wieder eine größere Rolle spielt – "mit etwas mehr Zärtlichkeit und künstlerischer gefilmt".

Im Gegensatz zum Pornokonsum im Internet schätzen die Kunden laut Krammer in der Videothek, dass sie relativ anonym bleiben. "Im Internet hinterlässt man immer seine IP-Adresse." Manche hätten zudem die Sorge, dass sie auf Seiten landen, wo sie gar nicht hinwollten. Viele ziehe es auch aus reiner Neugierde in die Ab-18-Ecke.

Zirka zehn Jahre gibt der Filmliebhaber seiner Videothek noch. "Wenn gesundheitlich alles gut geht." 2014 nämlich wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. In der schlimmsten Zeit wäre es ohne seine Frau nicht gegangen. Sie besuchte ihn täglich im Krankenhaus und managte neben ihrem Vollzeitjob auch noch den Laden.

Aber es ging wieder bergauf — und nun steht Krammer, in der für ihn typischen Manier auf seine beiden Unterarme gestützt, hinterm Tresen seiner Videothek, als wäre nie etwas gewesen. Der letzte Mohikaner lässt sich eben nicht unterkriegen.

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