Das Fanal der Abrissorgien

23.2.2014, 12:00 Uhr
Das Fanal der Abrissorgien

© Ralf Rödel

Wer den Galerieraum des Kunstvereins Zirndorf betritt, fällt nämlich in eine Bau- und Abrissgrube. Zumindest optisch. Denn Ursula Kreutz hat nicht nur sämtliche Wände, Fensterfronten, Säulen und Raumteiler vom Boden bis zur Decke mit Panoramafotos und Collagensplittern eines Abrissgeländes beklebt, sondern obendrein den Boden. Der Besucher hat die Empfindung, über spitze Bruchsteine, Schutt und rostige Armierungseisen zu stolpern.

Doch falls er fallen sollte, könnte er dennoch weich landen. Denn auf dem Boden liegt hingestreckt und in leicht übermenschlicher Größe eine nackte Frau – als Foto. Dieselbe Schönheit findet sich noch zweimal: hingekauert an der Wand mitten in der Ruinenlandschaft und schließlich stehend auf einer Plattform. „Metabriss“ nennt Ursula Kreutz ihre Arbeit. Das klingt wie „Meta-Abriss“, soll aber in einem Wort gesprochen werden. „Abriss“ ist klar, „Meta“ bedeutet sowohl „mittendrin“ als auch „danach“. Ob wir uns nun mitten im Abrissgeschehen befinden oder schon in der Stille nach dem Sturm, mag jeder Besucher für sich entscheiden.

Ursula Kreutz hat Erfahrung mit dem Kampf um den Erhalt von Gebäuden und mit dem Verlust derselben und dem Gefühl des Scheiterns. Stichwort Park-Hotel in Fürth. Der Abriss dieses Bauwerks kommt für sie auch einer persönlichen Niederlage gleich. Aber diese Niederlage gilt auch für die Gesamtheit der Bevölkerung. „So, wie wir mit unseren Gebäuden umgehen, so gehen wir auch mit unserer Geschichte um“, urteilt die Künstlerin. „Wir pflegen sie nicht, wir beseitigen und negieren sie. Und genauso gehen wir auch mit unseren alten Menschen um.“

Das Abrissgelände befindet sich allerdings nicht in Fürth, sondern in München. Dort hatte im Jahr 2007 die Stadt die alte Löwenbräu plattgemacht. Allerdings sehen wir keine alten Gemäuer aus der Gründerzeit, sondern nehmen in all dem vielen Schutt vor allem Betonwände und -pfeiler wahr. Obendrein sind sämtliche Farben ausgeblichen. Selbst die Nackte wirkt leichenblass.

In gewisser Weise drückt sie die widerstreitenden Gefühle von Resignation, Schutzlosigkeit und Aufbegehren aus, die den aufrechten Denkmalschützer angesichts vollendeter Tatsachen befallen. Doch Resignation ist Ursula Kreutz’ Sache nicht. Für sie stellt sich die Akzeptanz eines Scheiterns als erster Schritt der Distanzierung vom Scheitern dar. Mit anderen Worten: Diese Schlacht ging zwar verloren, die nächste aber gewinnen wir!

Bis 4. April, Do. u. Fr. von 15 bis 17 Uhr, Sa. 11 bis 13 Uhr.

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