Das Leben ist zu kurz für Mittelmaß

17.7.2018, 13:13 Uhr
Das Leben ist zu kurz für Mittelmaß

© Edgar Pfrogner

Die iW-Posaunen bliesen bereits auf Fanfaren-Lautstärke, als der erste Besucher noch nicht ganz die Türklinke zum idyllischen Anwesen in der Würzburger Straße bedient hatte. „Neue Hochburg der Malerei“, tönte eine vollauf enthusiasmierte Kritikerin nach Besuch der allerersten Schau. Mit Verlaub, aber: Da war die Vorfreude offenkundig Mutter des Gedankens.

 Was nicht heißen soll, dass Thomas Foersters Start mit einer Galerie in Fürth ein holpriges Himmelfahrtsding war. Der junge Rechtsanwalt mit dem flutenden Wallehaar hatte eine Riesenchance, und die nutzte er. Das Tor war nämlich leer, er musste nur treffen. Denn Fürth und die Kunst, das war 1978 eine Nicht-Beziehung vom Schlage „Die Wüste und Milchshakes“. Ortwin Michl war dabei. „Zu der Zeit gab es in der Stadt ja nichts. Wer in der Region als bildender Künstler aktiv war, wurde Mitglied im Nürnberger ,Kreis’.“ Fürth hingegen: nun ja. „Aber toll war und ist, dass Thomas das so konsequent durchgezogen hat.“ Mit dem seinerzeit schon recht angesagten Michl, der laut FN von 1978 gerade „den Weg zur Dreidimensionalität weitergehen“ wollte, eröffnete Thomas Foerster seine Galerie, die nicht seine erste war, schon ab 1969 hatte er sich zweifach in der Nürnberger Szene umgetan, ehe er an der Maxbrücke wieder nach Hause kam - das Areal der 1974 stillgelegten und 1983 abgerissenen Foerstermühle gehört seit vielen Generationen der Familie. Georg Christoph Foerster, Thomas’ Urgroßvater, hatte die Mühle 1819 für 50 000 Gulden gekauft.

 Müssen musste der Urenkel in Kunstdingen nie. Familienrechtler im Hauptberuf, betreibt er die Galerie das sind seine und die Büroräume der beiden Kolleginnen nebst Fluren und opulentem Garten - seit dem ersten Tag „mit Lust und Laune“. Eine Galerie, die ihre Kosten einspielen und ihren Betreiber ernähren soll, hätten er und Ehefrau Kerstin „längst aufgegeben. So wie viele, die mit Enthusiasmus in den Kunstbetrieb rein sind und mit Enttäuschung und Schulden wieder raus.“ In der Tat, viele Galeristen und solche, die sich „Galerist“ nannten, hat die Kleeblattstadt in 40 Jahren kommen und rasch wieder gehen sehen. Foersters Beharrlichkeit hatte niemand, auch nicht in der Metropolregion. Michl: „Die erste Liga aus Deutschland war hier nie, aber die erste Reihe der fränkischen Künstler.“ Von Anfang an habe sich herumgesprochen, dass Foerster aufs Niveau achtet, „und dass es ihm gelang, Jahr für Jahr dieses Niveau anzuheben“.

Drei Ausstellungen pro Hahr

 Das gute Auge schulte der Jurist als freier Mitarbeiter der Abendzeitung in Nürnberg, wo er Kunstkritik um Kunstkritik schreiben durfte „und wo ich die guten von den mittelmäßigen Ausstellungen zu unterscheiden lernte“. Mit drei Ausstellungen im Jahr - so ist es heute noch - etablierte sich die Foerstermühle Ende der siebziger Jahre rasch, Vernissagen hier sind große Nummern im überschaubaren Gesellschaftsleben Fürths.

 Absagen von Künstlern gab es nie in 40 Jahren, „dafür war es von Anfang an zu ernsthaft“. Ein paar Monate in der Foerstermühle machen sich nicht übel in einer Künstler-Vita. Wer rein will, sollte allerdings, grob gesagt, Hirsche auf Lichtungen und Toskana- Abendstimmungen tunlichst meiden. Foerster: „Ich stelle aus, wenn ich das Gefühl habe, das ist gut.“ Technisches Können will er sehen und spüren, Arbeiten von Künstlern, „die weiter gehen wollen und suchen“.

Und ja, natürlich hat der Chef Vorlieben. Informell darf’s gerne sein, mit hyperrealistischer und hypernaturalistischer Kunst tut sich Foerster, der auch selber malt und ausstellt, seit eh und je schwer. Ausnahmen in mehr als 100 Ausstellungen bestätigen die Regel.

 In der Foerstermühle jedenfalls hatten einige ihren ersten Auftritt, die heute nicht nur im Großraum eine Klasse für sich sind. Hasso von Henninges, Bildhauerin Meide Biidel, Rauminstallationen-Fachfrau Gisela Hoffmann, der Forchheimer Land-Art-Virtuose Franz Pröbster Kunzel: Die Foerstermühle war ihr Anfang, Sprungbrett, erste Chance.

 Auch Ortwin Michls Weg führte steil nach oben. 1981 gründete er den Fürther Kulturring C, die Gemeinschaft der hiesigen akademischen Künstler, die er bis 1997 leitete. 2007 endeten mehr als zwei Jahrzehnte als Professor an der Ohm-Fachhochschule im Fachbereich Gestaltung. Mit seinen Studenten war der heute 76-Jährige an der Gestaltung von vier Fürther U-Bahnhöfe beteiligt, darunter die vor bald 20 Jahren eröffnete „Stadthalle“ - in Steinwurfnähe zur Foerstermühle. Nicht älter als drei Jahre wiederum sind Michls Exponate für die Jubiläumsschau; abermals erweist er sich als souveräner Stratege in der Kunst, mit extrem reduzierten Mitteln Räumlichkeit, Beziehungsfelder und Tiefenstrukturen herzustellen. Die Zeiten des Ausdauersportlers und Polarreisenden sind altersbedingt zwar vorbei, doch in Michls hochkonzentriert ausgetiiftelten Werken lodert nach wie vor die Empörungsglut des Streiters für eine lebenswerte Umwelt und intakte Natur. „Greenkeeper“ etwa heißt eine Arbeit, ein grüner Punkt versucht sich hartnäckig in grau dräuender Gemengelage zu behaupten. Eine Überraschung dann draußen: Mit vier Tisch-Objekten zeigt Michl sich von einer gänzlich ungewohnten Seite; „arme“ Materialien treffen, ihrer ursprünglichen Funktion beraubt, aufeinander. Ein Blick hinter die Dinge, Fragen nach Beziehungs- Dingen, nach Realität und Virtualität.

 Zur Wahrheit gehört übrigens auch, dass die Zeiten der Foerster’schen Wallematte längst passé sind. Doch Stillstand kennt der 71-Jährige anscheinend nur beim Haarwuchs. „Ich mache weiter, solange es mir Spaß macht.“

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