Das Leben nach Quelle

2.11.2014, 06:00 Uhr
Das Leben nach Quelle

© Foto: Max Söllner

Viel ist noch nicht los um 11 Uhr vormittags in den Räumen des ehemaligen Versandhandelriesens an der Fürther Straße. Dennoch vergeht kaum eine Minute, in der Marga Hetzner nicht von irgendwoher freudig begrüßt wird. Als ehemalige Poststellenleiterin bei Quelle lernte sie „die meisten“ der früheren Beschäftigten kennen – und hält bis heute die Kommunikation am Laufen.

Nicht ohne Grund wurde daher der Wunsch vieler, sich neben den zahlreichen Stammtischen endlich wieder in größerem Rahmen zu begegnen, stets an Hetzner herangetragen. Die umtriebige Seukendorferin griff die Idee auf – und organisierte ein Treffen mit ganz eigenem Ansatz: Statt immer nur der Devise „Es ändert ja eh nichts dran“ nachzuhängen, entschied sich Hetzner dazu, nach fünf Jahren „die Trauerarbeit zu beenden“ und endlich „vorwärts zu blicken“. Im Mittelpunkt der bunten Veranstaltung steht deshalb eine Firmenmesse.

Mehr als ein Dutzend Aussteller zeigen, dass inzwischen „alles in eine positive Richtung geht“ (Hetzner). So etwa die ehemaligen Versandhaus- Töchter Küchen-Quelle sowie die beiden Modefirmen Madeleine und Vertbaudet, die zusammen viele Arbeitsplätze gerettet haben und heute als Sponsoren fungieren.

Überwiegend tummeln sich auf der Messe jedoch ehemalige Quelle-Mitarbeiter, die den Weg in die Selbstständigkeit gewagt haben – mit einem breiten Feld an Ideen. Beim Rundgang schlendert man an einer Manufaktur für Nudeln vorbei und bei einer Firma für handbemalte Damenschuhe. Ebenso findet sich ein Immobilienmakler, daneben Spezialisten für Astrologie, Tierpsychologie und Wellness.

Neben den Existenzgründern freut sich Hetzner vor allem über die „riesige Wiedersehensfeier“ mit all den ehemaligen „Quelleanern“. So fühlt sie sich angesichts der gut gefüllten Bierbank-Reihen an die alten Zeiten in der Quelle-Kantine erinnert und wirft zur Begrüßung prompt ein kräftiges „Mahlzeit“ in die Runde – dem traditionellen Gruß der Quelle-Beschäftigten selbst auf der Straße.

Zum Schwelgen in der Vergangenheit laden auch originale Quelle-Exponate vom Museum für Industriekultur ein sowie eine Fotoausstellung, die Schicksale erzählt und den Ex-Beschäftigten somit ein Gesicht gibt. An anderer Stelle bereichert eine Fotoaktion das Treffen: Wer will, kann sich für einen fiktiven Katalogtitel ablichten lassen. Sichtlich amüsiert sind die Freundinnen Renate Ludwig und Margit Dotzer bei der Sache. Kennengelernt haben sie sich im Jahr 1964 — natürlich bei Quelle.

Doch was ist mit all denjenigen Ex-Beschäftigten, die bis heute keinen Job gefunden haben? Natürlich gibt es auch sie, so Hetzner. Menschen, die bis heute ohne Arbeit sind oder die in Frührente geschickt wurden und deshalb in keiner Statistik auftauchen. Nicht selten wurde zu schnell gesagt, es sei alles wieder gut, kritisiert die Organisatorin. Dennoch habe sie viel Zuspruch dafür erfahren, mit „Quelle . . . 5 Jahre danach“ den Blick nach vorn zu richten. Und so tun die Teilnehmer auch selbst aktiv etwas für die Zukunft: Bei einer Spendenaktion sammeln sie für minderjährige Flüchtlinge. Am Ende des Treffens kann Dekan André Hermany 500 Euro in Empfang nehmen.

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