Der Affe in uns allen tobte im Kulturforum

25.7.2016, 16:30 Uhr
Der Affe in uns allen tobte im Kulturforum

© Foto: Hans Winckler

Zuerst hat Rose aus der verrückten Verwandlung der Menschen in Rhinozerosse, die der rumänisch-französische Dramatiker beschreibt, eine Metamorphose in Primaten gemacht. Dann wurde das ganze gallig-bittere Stück um Mehrheiten, Massenpsychose und Mitläufertum auf rund 70 Minuten straff gekürzt.

Zunächst streitet Behringer, ein kleiner Angestellter, der gern trinkt und sich nicht recht in die Gesellschaft eingliedern kann, in einem Café mit seinem Freund Hans, der den tüchtigen Kleinbürger repräsentiert. Hans wirft ihm vor, Alkoholiker zu sein und sich hängen zu lassen. Er solle sich lieber über Museumsbesuche Kultur aneignen.

Am ersten Abend spielt Nikolaj Klinger den Behringer als freien, coolen Typen, am zweiten akzentuiert Adrian Kaess in der Hauptrolle mehr den Wusch nach Veränderung und die Hilflosigkeit der Figur. Hans wird von Anouk Elias bei der Premiere herablassend-besserwisserisch dargestellt, am nächsten Tag zeigt Markus Maczek seine aggressiven, neoliberalen Züge. Während Behringer sich zu verteidigen versucht, taucht das erste komische Vieh auf. Ein Affe, mitten in der Sonntagnachmittagsruhe der Kleinstadt. Alle regen sich auf, nur Behringer bleibt ruhig.

Doch als erneut so ein Tier über den Marktplatz hüpft und die Katze einer Hausfrau zertrampelt, ist die Panik da. Während Behringer und Hans weiter über Lebensstile debattieren, hält am Nebentisch des Cafés ein Logiker schräge Vorträge, in denen er scheinbar beweist, dass Hunde auch Katzen sind. Willig folgt ihm sein Gesprächspartner, während sich beide Dialoge kunstvoll verschränken und aufeinander antworten.

Aufgeregte Debatte

Als plötzlich Daisy, die hübsche Sekretärin aus Behringers Büro auftaucht, versteckt er sich. Am folgenden Tag kommt Behringer zu spät zur Arbeit, wo seine Kollegen aufgeregt über den Affen streiten. Herr Wisser, das Zerrbild eines Gewerkschafters, leugnet die Realität und will alle überzeugen, dass die Presse, die groß darüber berichtet, lügt.

Stech, ein konservativer Jurist, meint, der Affe sei real, aber harmlos. Herr Schmetterling, der Chef, ein strenger Antreiber, stoppt den Zoff. Da taucht die Frau des Kollegen Ochs auf, um ihn krank zu melden, nur um kurz darauf ihren Mann als Affen vor dem Büro zu entdecken und sich ihm anzuschließen.

Nun geht es Schlag auf Schlag: Behringer besucht Hans, um sich wegen ihres Disputs zu entschuldigen, doch der, ein widersprüchlicher Charakter, der in Wahrheit selbst trinkt, wird auch zum Affen. Die halbe Stadt ist schon infiziert. Ängstlich versteckt sich Behringer zu Hause, um der merkwürdigen Krankheit zu entgehen.

Stich und Sekretärin Daisy kommen bei ihm vorbei und sie reden über die Lage. Sowohl ihr Chef Schmetterling als auch Wisser und selbst der Logiker sind inzwischen Affen. Auch sie also Opportunisten und Duckmäuser. Bald läuft zudem Stich über, mit der Begründung, er müsse den Kollegen folgen, außerdem sollte man alles einmal ausprobieren.

Daisy und Behringer werden ein einsames Paar, das versucht, sich durch Liebe abzuschirmen. Die junge Frau ist in der Interpretation von Tabea Meves eine zarte, naive Blume, die nur glücklich sein will. Doch als Daisy plötzlich Verständnis für die Affen äußert, rastet er aus und schlägt sie, worauf sie sich der tierischen Mehrheit anschließt.

Eine sehenswerte, rasante Inszenierung, die auf Körperlichkeit baut. Auf allzu offensichtliche Anknüpfungen wie etwa Pegida oder Rechtsextremismus wird verzichtet. Dass Flüchtlings-Jugendliche mitspielen und ihre Wohngruppe im Publikum sitzt, ist schließlich ein klares Statement. Was braucht es, um dem Mob standzuhalten? Die Antwort des Theater Jugend Clubs ist eindeutig: Charakterstärke und Gewissen.

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